Artikel vom 20.09.2007, Druckdatum 22.11.2024

Solartaxi muss in Riad auf die Hebebühne

Dass es eine Reise mit Überraschungen werden würde, war Louis Palmer von Anfang an klar. Nicht geplante „Sight-Seeing“-Aufenthalte, technische Probleme bis hin zu Beinahe-Katastrophen und allerlei anderer Kalamitäten hat das Solartaxi auf seiner bisherigen Reise schon hinter sich gebracht. Nach Verzögerungen um ein Visum zur Einreise nach Saudi-Arabien und einem Bruch am Fahrgestell in Riad lautet das nächste Ziel des Schweizers Vereinigte Arabische Emirate.

Auf ausnahmsweise touristischen Pfaden suchte Solartaxi-Fahrer Louis Palmer in Jordanien nach Spuren des Klimawandels. Sein Aufenthalt in der jordanischen Hauptstadt Amman hatte sich ungeplant verlängert, weil er und seine Crew auf ein Visum für Saudi-Arabien warten mussten. In Akaba an der nordöstlichen Spitze des Roten Meeres warf sich die Crew in die Wellen, um herauszufinden, wie stark die globale Erwärmung den Korallenriffen hier zusetzt. Die Korallenriffe des Roten Meeres sind weltweit für ihre Schönheit bekannt. 

Laut UNO könnten aufgrund der Klimaerwärmung bis im Jahr 2020 gut 60 Prozent aller weltweiten Korallenriffe unwiederbringlich zerstört sein. Zum Glück stellt Louis Palmer fest, dass es hier noch keine größeren Schäden gibt. Die Korallen des Golfs von Akaba liegen in einer sehr begünstigten Lage. Der Golf ist nur 14 Kilometer breit, aber doch 2.000 Meter tief. Das sorgt dafür, dass die Wassertemperatur noch nicht gestiegen ist. Aber wird das Wasser auch nur ein wenig wärmer, könnte das Korallensterben auch hier einsetzen.

Am 8. September erhält das Solartaxi endlich „freie Bahn“ nach Saudi-Arabien. „Aus der öden Steinwüste ist eine Horizont füllende, goldene Dünenlandschaft geworden, enge verwinkelte Gassen wurden zu monumentalen Prachtstraßen mit üppiger künstlicher Begrünung - wir nähern uns dem Golf“, notiert Palmer. Wer hätte aber gedacht, dass es in der Wüste nach Sonnenuntergang so kalt werden kann? Während der letzten Stunde der Fahrt fällt das Thermometer konstant, und zuletzt ist es im Solartaxi nur noch mit Pullover und Jacke auszuhalten. Palmer: „Frierend durch die Wüste. Was eine verrückte Reise!“

Der Grenzübergang zu Saudi-Arabien ist unerwartet einfach. Keine langen Formalitäten. Palmer: „Hier sind wir nun, im Erdölland Nummer eins. Nirgendwo auf der Welt tankt man billiger als hier: Einmal Auffüllen für den Begleitbus kostet ganze drei Euro. Wir sind ja gespannt, wie uns Saudi Arabien erwartet.“ Und dann erscheinen doch wieder die Sirenen und Blaulichter, wie sie das Solataxi schon aus Syrien kennt. „Auch die Saudis stellen uns freundlicherweise eine Polizeibegleitung zur Verfügung“, nimmt es Palmer einigermaßen gelassen.

In der Wüste Saudi-Arabiens gibt es Sonne satt: In Saudi-Arabien ist zumindest die Energieversorgung des Solartaxis kein Problem. Doch die Ausmaße dieser riesigen, scheinbar endlosen Sandfläche ernüchtern auch. Palmer: „Es geht immer nur geradeaus, Stunde um Stunde. Auch einen blauen Himmel gibt es nicht, die Luft ist sandig, die Sonne eine fahle Scheibe. Ein paar Kilometer vor uns verschwindet die Straße im Dunst, aber es macht keinen Unterschied, dahinter sieht es genauso aus wie davor.“ Kundiger Reisebegleiter durch diese Ödnis ist Dieter. Er ist Inhaber eines Bauunternehmens in Riad und schon vor über 30 Jahren aus Berchtesgaden ausgewandert. Mit großem Interesse hatte er die Ankunft des Solartaxis in seinem neuen Heimatland erwartet und hilft jetzt mit reichhaltigem Insiderwissen.

Und dann „plötzlich sind wir in Riad, und schon sind wir in einer anderen Welt. Wir sind nämlich im Compound untergebracht, einem abgesperrten Wohngebiet für Diplomaten und Ausländer. Arabien endet an der Mauer, hier drinnen sieht es aus wie in einem Vorort in Amerika“, notiert Palmer. Drei Nächte Aufenthalt in Riad sind geplant. Der Terminplan ist knapp, zum Ende der Woche will das Solartaxi bereits in Abu Dhabi sein – und bis dahin sind es noch tausend Kilometer Wüstenstraße.

Das Programm in Riad beginnt zunächst ganz nach Plan. Ein Besuch der „Kingdom School“ steht an, ein monumentaler Luxusbau auf einem riesigen begrünten Campus. Zur Schule gehen hier die Kinder der saudi-arabischen Prinzen. Etwa hundert Prinzenkinder zeigen sich recht interessiert am Solartaxi, und stellen fleißig Fragen. Palmer: „Natürlich zuerst die Standardfragen, die jedes Mal kommen: Wie schnell fährt das Fahrzeug, und hat es eine Klimaanlage? Dann etwas Neues: „Ist es einfach, das Solartaxi zu stehlen?“ Ohne lange nachzudenken, antwortete ich: „Wie will man ein Auto stehlen, welches es nur ein einziges Mal auf der Welt gibt und jeder aus der Zeitung kennt?“ 

Obwohl Saudi-Arabien Sonne ohne Ende hat, ist es nach wie vor zuallererst ein Öl-Land. Das zeigt die Begegnung mit Prinz Sultan bin Salman, Leiter des Tourismusministeriums. 1985 war er Mitglied der Besatzung des US-Space Shuttle Challenger, als erster Araber, Muslim und als erstes Mitglied einer Königsfamilie überhaupt. Er zeigt sich zuversichtlich, dass es auf dieser Welt noch für viel mehr als nur 60 Jahre Erdöl geben wird, doch gleichzeitig gibt er sich als „Environmentalist“, als Umweltschützer, aus. „Die Effizienz muss gesteigert werden“, meint er, und „wir werden so lange Erdöl verkaufen, wie die Nachfrage danach besteht.“

Doch dann nähert sich nochmal eine richtige Katastrophe für das kleine Solartaxi-Team: Kurz nach dem Zusammentreffen mit dem „Umweltschützer-Prinzen“ klingt ein schreckliches Rasseln aus dem Motor, und das Auto zieht nach rechts. Das gesamte hintere Fahrgestell ist zur Seite gerutscht, eine tragende Stelle ist gebrochen! Vielleicht rächen sich jetzt doch die vielen Kilometer schlechter Straßen?, fragt sich Palmer. Über Nacht muss das Solartaxi deshalb im „Diplomatic Quarter“ bleiben.

Nach stundenlanger Suche am nächsten Tag findet Louis Palmer endlich Romano Sokolowski aus Hamburg. Er ist Aluminiumschweißer und soll das Solartaxi wieder fit machen. Palmer drängt: „Wir müssen unbedingt planmäßig in die Emirate aufbrechen, wo schon ein umfangreiches Programm für uns steht. Es sind noch knappe tausend Kilometer dorthin, doch vorher muss das Solartaxi noch in tausend Stücke zerlegt werden.“ Doch dann siegt der Zweckoptimismus: „Romano wird uns mit seiner sauberen Werkstatt hoffentlich aus dem Dreck ziehen.“ 

Quelle: SPIEGELonline, Solartaxi
                                                                 News_V2