Artikel vom 17.03.2006, Druckdatum 25.11.2024

Mahnung Tschernobyl

In unserer schnelllebigen Zeit sind zwanzig Jahre beinahe eine Ewigkeit. Vor zwanzig Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich in Prypjat in der Ukraine ein Reaktorunfall, der die Welt erschütterte. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erinnert mit einer deutschlandweiten Aktion an die Katastrophe von Tschernobyl.

Noch heute ragt ein Riesenrad über die verlassene Stadt. Es ist stummer Zeuge einer der größten Umweltkatastrophen, die die Welt je erlebt hat. Vier Tage nach der Reaktorkatastrophe hätte in Tschernobyl ein neuer Rummel öffnen sollen. Doch dazu kam es nie. Prypjat, die Siedlung, die mit dem Bau des Kernkaftwerks Tschernobyl entstand, ist heute eine Geisterstadt. 

Zum Zeitpunkt der Katastrophe lebten hier etwa 48.000 Menschen, die meisten von ihnen arbeiteten im Kernkraftwerk. Eine Explosion im Kernreaktor hatte den über 1.000 Tonnen schweren Deckel des Reaktorkerns abgehoben. Dadurch wurden große Mengen an Radioaktivität freigesetzt. Ein Brand sorgte außerdem dafür, dass gefährliche Aerosole in große Höhen gelangten. In einer radioaktiven Wolke wurden diese teilweise hunderte oder gar tausende Kilometer weit getragen.

In den ersten Monaten nach dem Unfall starben über 30 Menschen an akuten Strahlenschäden. Bei Kindern haben sich die Fälle von Leukämie und Schilddrüsenkrebs erhöht. Die eigentliche Krebswelle, so das Institut für angewandte Umweltforschung KATALYSE, hat gerade erst begonnen. Insgesamt werden in der ehemaligen Sowjetunion 200.000 bis eine Million zusätzliche Krebstote erwartet. Auch die so genannten nicht-spezifischen strahlungsinduzierten Erkrankungen wie Magen- und Darmerkrankungen, Anämie, allgemeine Immunschwäche, Blut- und Schwangerschaftkomplikationen haben als Folge des Reaktorunfalls zugenommen.

„Während in der Ukraine und Weißrussland die verheerenden Folgen des bislang größten anzunehmenden Atomunfalls seit Jahrzehnten gegenwärtig sind, hat für die Mehrheit der Europäer dieser Gau inzwischen seine Schrecken verloren. Leider ist der Begriff Tschernobyl heute für viele nur noch mit vagen Erinnerungen verknüpft. Das wollen wir ändern, insbesondere auch bei Jugendlichen, die davon zum Glück nur aus Erzählungen wissen,“ so Gerhard Timm, Bundesgeschäftsführer des BUND.

Deshalb geht der BUND anlässlich des 20. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe mit stilisierten Atomkraftwerken und einem dem zerstörten Tschernobyl-Reaktor nachempfundenen Sarkophag deutschlandweit auf Tour. „Die vier AKW-Modelle sind eine Anspielung auf die vier gefährlichsten AKWs Deutschlands, die als erstes abgeschaltet werden müssten: Biblis A und B, Neckarwestheim und Brunsbüttel“, erklärte Timm zum Auftakt in Schwerin. Heilbronn, Stuttgart, Berlin, Bonn, Siegburg, Essen, Karlsruhe, Lüneburg, Hannover, Bremen und München werden weitere Stationen sein. Während der Tour sammelt der BUND weiter Unterschriften für die Aktion „Eine Million Europäer gegen die Atomkraft“. Damit soll die Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergie bekräftigt werden.

„Da sich Bundeskanzlerin Angela Merkel längere Laufzeiten für die deutschen AKW`s vorstellen kann und mehrere CDU-Ministerpräsidenten in letzter Zeit wiederholt für längere Laufzeiten votierten, eine Lösung zur Entsorgung des radioaktiven Atommülls jedoch fehlt und die Risiken der Atomkraft nach wie vor extrem hoch sind, bekommt diese Tour eine besondere Aktualität“, so Timm.

Quellen: BUND, Umweltjournal, Institut für angewandte Umweltforschung KATALYSE

Autorin: Petra Forberger für www.solarportal24.de


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