Artikel vom 15.02.2008, Druckdatum 22.11.2024

Solartaxi: Nicht nur alles easy „Down Under“

Louis Palmer hat mit seinem Solartaxi Neuseeland von Norden nach Süden durchquert und ist zwischenzeitlich „Down Under“. Doch Australien zeigt sich bürokratischer als erwartet. Zudem machen die schwersten Regenfälle seit fünf Jahren dem Solartaxi zu schaffen und beim Thema Klimaschutz hat Australien nach Ansicht des Schweizers auch noch einigen Nachholbedarf.

Vier Kilogramm leichter und noch etwas schwankend auf den Beinen ist Solarpionier Louis Palmer nach vier Wochen an Bord der „Rainbow Warrior II“ in Whangarei an der Nordspitze Neuseelands gelandet. Als erstes sollten er und sein Dauer-Begleiter Thomas Gottschalk die neuseeländische Administration kennenlernen: Zwei Herren der Quarantänebehörden kamen an Bord - am Solartaxi durfte kein einziges Stückchen Dreck mehr kleben. „Nichts scheint man hier mehr zu fürchten als eingeschleppte Samen oder Insekten und straßenuntaugliche Autos“, notiert Palmer in seinem Solartaxi-Tagebuch. 

Ulrich Schmid, ein vor 40 Jahren nach Neuseeland ausgewanderter Schweizer, hat die Reise des Solartaxis schon seit der Abfahrt mitverfolgt. Jetzt bietet er den zwei „Schiffbrüchigen“ an, die erste Nacht in Neuseeland bei ihm zu verbringen. Nach einer Ein-Tages-Tour mit Ulrich geht es weiter nach Wairakei. „Schon von weitem sehe ich die Dampffahnen des Erdwärme-Kraftwerks“, beschreibt Palmer die Szenerie. Statt Wärme von der weit entfernten Sonne oder aus Kohle zu nehmen, zapft man hier den Boden an. Aus dieser Wärme produziert die Anlage schon seit über 50 Jahren Strom mit einer Leistung von gut 160 Megawatt, etwa ein Sechstel eines Atomkraftwerks.

„Die Landschaft ist phänomenal, die Welt zeigt hier ihre schönsten Seiten. Stundenlang sehe ich kein Haus, nur ein paar verstreut liegende Solaranlagen, die die paar Mobilfunkantennen speisen“, ist der Solarpionier begeistert. Weiter geht’s Richtung Süden der Insel. Hier lebt nur etwa ein Viertel der neuseeländischen Bevölkerung, und die Ortschaften liegen weit auseinander. Palmer muss die Batterieladung des Solartaxis gut einzuteilen: „Gegen menschenleere Straßen ist jedoch nichts einzuwenden, und so kurve ich gemütlich über die Hügel und entlang der wilden Küste der Provinz Canterbury. Plötzlich erscheint vor mir ein Schild ,Achtung Seehunde!‘. Zuerst denke ich, dies sei ein Witz, doch später klärt mich mein Gastgeber Bob auf: Vor allem im Winter legen sich die Seehunde gerne auf den warmen Asphalt, und dort sind sie dann so schwarz wie die Nacht. Das ist saugefährlich!“

Nächste Station ist Christchurch, wo das Solartaxi aufs Schiff verladen werden soll. Ziel: „Down Under“. In Australien will die Solartaxi-Crew wieder an den ursprünglichen Routenplan anknüpfen. Endlich angekommen, spürt Louis Palmer von der sprichwörtlichen Lockerheit der Australier allerdings zunächst wenig: Auf seiner Tour mit „Salatöl-Rudi“, der seinen Namen seinem Mercedes mit Speiseöl-Antrieb zu verdanken hat und das Solartaxi schon von Jordanien bis nach Dubai begleitete, trifft Palmer auf absurde Vorschriften und pedantische Vertreter der Bürokratie. 

„Wir planen einen Presse-Event in Sydney. Doch die Suche nach einem Präsentationsort für unsere der Autos verläuft erfolglos. Alle Institutionen, die Grundstücke vermieten, fordern von uns eine Haftpflichtversicherung - für den Fall, dass jemand neben dem Solartaxi einen Schwindelanfall erleidet und klagt. Am besten sollen wir uns für eine Summe von sechs Millionen Euro versichern lassen, hören wir. Ich kann es kaum glauben. Australien scheint nicht nur in Richtung USA und dortige Verhältnisse zu driften, sondern schon dort angekommen zu sein“, ist Palmer leicht angefressen. „Wir sind im Land der Gegensätze: lauter lockere Menschen, alle gut und easy drauf, Bier, Beach, BBQ und Bikinis. Die gleichen Australier fordern für einen Autoführerschein 150 Stunden Praxis mit einem erfahrenen Begleiter. Dann wiederum: Im Bundesstaat New South Wales ist eine Haftpflichtversicherung für Motorfahrzeuge eine freiwillige Angelegenheit.“

Doch es gibt von Down Under auch Positives zu berichten: „Der Umstand, dass der Umweltschutz in Australien ziemlich unterentwickelt ist und das Land zu den größten Klimagas-Verursachern der Welt gehört, scheint besonders viele Umweltaktivisten hervorzubringen“, schreibt Palmer. Eine davon ist Keelah aus Sydney, bei der die Crew untergebracht ist. 

„Von ihr lernen wir, wie man umweltfreundlich leben kann: Den Strom produziert Keelah auf ihrem Hausdach mit sechs Quadratmeter Solarzellen Den Strom speist sie ins Netz ein und ,verkauft‘ ihn ans Elektrizitätswerk. Dass sie dafür weniger Geld erhält, als wenn sie selber Strom ab Steckdose kaufen würde, hält sie nicht davon ab, trotzdem Solarzellen zu montieren.“ „Australien hat zwar viel Sonnenschein, aber gefördert wird hier nur der Kohleabbau“, meint Keelah dazu und verschwindet in einen Supermarkt. Doch nicht irgendeinem Supermarkt, sondern einem, in dem es keine Plastiktüten gibt. Der „Food-Coop“ zählt etwa 400 Mitglieder, die alle ihre Ware in Kartonschachteln nach Hause bringen. Keelah rechnet vor: „Pro Jahr werden in Australien 6,8 Milliarden Plastiktüten abgegeben. Gelangt eine Tüte mal in die Natur, dauert es bis zu 1.000 Jahre, bis sie abgebaut ist.“ „Sustainable Living“, zu deutsch „Nachhaltiges Leben“ nennt Keelah ihren Lebensstil. Und sie ist nicht die einzige, die nachhaltig lebt. Aus Melbourne hat sich ein gewisser Luke bei Louis Palmer gemeldet, der in zehn Tagen ein „Sustainable Living Festival“ organisiert und das Solartaxi unbedingt dabei haben möchte. Er erwartet 120.000 Besucherinnen und Besucher.

Dem gescheiterten Presse-Event allerdings folgt zunächst die nächste Überraschung: Es regnet. Besser gesagt: Es schüttet. Stundenlang. Inzwischen heißt es, dass es die schwersten Regenfälle sind, die Canberra und Sydney seit fünf Jahren gesehen haben. Für das Land ist das ein Segen, und auch für die Energieversorgung des Solartaxis im Prinzip kein Problem. Auch bei Wetter wie diesem kann Palmer ein paar Kilowatt aus der Steckdose beziehen und in die Batterie tanken, bequem weiterfahren und dennoch stimmt seine Energiebilanz: In der Schweiz speist er von meinen fix installierten Solarzellen auf dem Dach seines Sponsors Swisscom 6.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr ins Netz ein.

Einzig der Scheibenwischer macht Probleme. Es regnet so stark, dass Palmer nichts mehr sieht. Als Nächstes setzt die Elektronik aus, und der Wagen steht still - auf der Autobahn. „Um mich herum ist nur Gras, und auch die letzten Kängurus haben sich unter die Bäume verzogen. Mein Support-Team ist immer noch in Downtown Sydney, vier Stunden entfernt. Nach 15 Minuten Pause springt die Elektronik aber unerwartet wieder an, und bei der nächsten Ausfahrt spült es mich direkt in eine Weinfarm. Das ist die Rettung, hier kann ich warten, bis morgen hoffentlich die Sonne alles wieder trocknet“, arrangiert sich Palmer mit seiner Situation.

Am nächsten Morgen regnet es zwar immer noch, aber Scheibenwischer wie auch Elektronik funktionieren wieder, als ob nie etwas gewesen wäre. Auf einer Pressekonferenz in der australischen Hauptstadt Canberra will Palmer seine Message verbreiten: Dass Australien in Sachen Umweltschutz anscheinend noch großen Nachholbedarf hat. Man habe so viel Sonne hier, und trotzdem nutze man sie nicht. Die Journalisten klatschen. „Denen gefällt das. Alle Australier, die ich treffe, scheinen sich für die letzten zehn Jahre entschuldigen zu wollen. Für einen Präsidenten, der den Klimawandel nur anzweifelte und in Umweltschutz nur eine Schwächung der Wirtschaft sah.“ 

Doch jetzt ist ein neuer Präsident gewählt, und es herrscht Aufbruchstimmung, so Palmer. Und ein Mitglied des Parlaments kündigt ihm an: „Australien wird nun ebenfalls ein neues Einspeisungsgesetz für Solarenergie einführen. Wer jetzt Solarzellen installiert, soll bis an sein Lebensende 50 Cent für jede produzierte Kilowattstunde erhalten. Wir machen das beste Gesetz der Welt!“ 

Quelle: Louis Palmer, SPIEGELOnline
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