Artikel vom 31.03.2006, Druckdatum 08.09.2024

Ausstieg aus dem Ausstieg: Argumente vorgeschoben

Zu interessanten Ergebnissen kam das Öko-Institut bei der ersten wissenschaftlichen Analyse der bisher vorgebrachten Argumente für den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Die im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung (hbs) durchgeführte Studie mache deutlich, dass die von Atomkraftwerksbetreibern, industriellen Energieverbrauchern und Unionspolitikern derzeit verstärkt vorgebrachten Gründe für eine Verlängerung der Reaktorlaufzeiten vorgeschoben seien, kommentierte die Deutsche Umwelthilfe e.V..

In Wirklichkeit, so Felix Chr. Matthes, Koordinator des Bereichs Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts und Hauptautor der Analyse „Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke“, geht es für die Energiekonzerne um viel Geld. E.on, RWE, Vattenfall Europe und Energie Baden-Württemberg (EnBW) würden bei einer Laufzeitverlängerung mit Zusatzerträgen in zweistelliger Milliardenhöhe rechnen können. Geld, das diese natürlich nicht verlieren wollen.

Deshalb wird argumentiert: „Versorgungssicherheit lässt sich nur durch Kernkraft erreichen“, „Die Kernenergie hat eine Brückenfunktion für Zukunftstechnologien“, „Erneuerbare Energien können die Kernenergielücke nicht schließen“, usw. (Wirtschaftsrat der CDU).

Die Analyse hat stattdessen gezeigt, dass durch eine Verlängerung der Reaktorlaufzeiten weder die Strompreisentwicklung gedämpft würde, noch Entlastungseffekte beim Klimaschutz zu erwarten sind. Und für eine forcierte Energieforschung oder Entwicklung Erneuerbarer Energien ist die Laufzeitverlängerung sogar eher kontraproduktiv.

Auch die verlängerten Reaktorlaufzeiten zugeschriebene „Brückenfunktion“ beim Übergang zu einem Energiesystem auf Basis Erneuerbarer Energien erweist sich eher als Fiktion. Eine Laufzeitverlängerung um acht oder gar 15 Jahre würde den notwendigen klimagerechten Erneuerungsprozess des deutschen Kraftwerksparks behindern und letztlich den Bau neuer Atomkraftwerke vorbereiten.

Im Hinblick auf die zukünftige Strompreisentwicklung erklärte Matthes: „Die mit dem Ausstiegsfahrplan eröffnete Chance, den in den vergangenen Jahren vollzogenen Konzentrationsprozess bei der Stromerzeugung wenigstens in Teilen rückgängig zu machen, wird mit einer Laufzeitverlängerung leichtfertig vertan. Potenzielle neue Wettbewerber hätten ohne die Kraftwerkslücke, die mit der Abschaltung der Atomkraftwerke entsteht, wesentlich schlechtere Möglichkeiten, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen“. Und entsprechend könnten die dominierenden Energiekonzerne weiter die Preise gestalten.

Ganz außer Acht gelassen wird außerdem, dass der Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Atomkraft angesichts des wachsenden Risikos eines atomaren Rüstungswettlaufs umso dringlicher geworden ist.

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik der Deutschen Umwelthilfe, erinnert deshalb an den Wortlaut der Atomkonsensvereinbarung vom 14. Juni 2000. Darin hatten sich die Konzerne verpflichtet, dazu beizutragen „dass der Inhalt dieser Vereinbarung dauerhaft umgesetzt wird“.

„Was unter Gemeinwohlargumenten von den vier großen Betreibern vorgetragen wird, erweist sich letztlich als ein recht durchsichtiges Manöver zur Festigung der eigenen Marktmacht und ein Ausweichen vor dem Notwendigen: dem raschen Vorantreiben einer Klima freundlichen, Risiko minimierenden Stromversorgung. Die begonnene Energiewende steht zwanzig Jahre nach Tschernobyl dringlicher denn je auf der Tagesordnung. Auch wenn „Retro“ gerade Kult ist – es führt kein Weg zurück in die siebziger Jahre!“ so die hbs.

Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung hbs (www.boell.de), Deutsche Umwelthilfe e.V. DUH (www.duh.de)

Autorin: Petra Forberger für www.solarportal24.de



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