Artikel vom 14.11.2011, Druckdatum 22.11.2024

NABU: Energiewende braucht mehr Einsatz für Natur- und Klimaschutz

Angesichts der eingeleiteten Energiewende und den damit zusammenhängenden Herausforderungen an die deutsche Energiepolitik plädierte Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland e.V. (NABU), für eine Stärkung des Natur- und Klimaschutzes. „Wir brauchen ein cleveres Energiesystem, das im Einklang mit den klimapolitischen Erfordernissen umgebaut wird und dabei nicht den Natur- und Artenschutz unterläuft“, betonte Tschimpke anlässlich der Bundesvertreterversammlung im Roten Rathaus in Berlin.

Die deutsche Energiepolitik müsse nachhaltig und verlässlich am künftigen Bedarf und an ihrer ökologischen Verträglichkeit neu ausgerichtet werden. Eine erfolgreiche Energiewende sei nur möglich, wenn sie künftig besser koordiniert und verständlich kommuniziert werde, unterstrich der NABU-Präsident. Es könne nicht sein, dass dieses 'Gemeinschaftsprojekt' von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Dauerstreit zwischen den Bundesministerien zerfasere. Daher sollte ein Lenkungsausschuss auf Ebene der Staatssekretäre am besten direkt beim Kanzleramt angesiedelt werden. Es reiche nicht aus, wenn das Monitoring für den Atomausstieg in die Hände einer kleinen Expertengruppe gelegt wird, deren Unabhängigkeit bereits in Zweifel steht. 

„Aufbauend auf den Vorschlägen der Ethik-Kommission brauchen wir eine breite gesellschaftliche und parlamentarische Beteiligung bei den Fragen zur weiteren Ausgestaltung und Umsetzung der Energiewende“, forderte Tschimpke. Mit Nachdruck appellierte der NABU-Präsident an Bund und Länder, bei unvermeidbaren Eingriffen in den Naturhaushalt für anspruchsvolle Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu sorgen. Als Kernstück des Naturschutzes in Deutschland müsse die Eingriffsregelung dringend gestärkt und nicht etwa aufgeweicht werden. „Jeder Bau eines Gewerbegebiets, eines Windparks oder einer Straße ist eine Beschneidung wertvoller Fläche, die der Natur genommen wird. Nach dem Verursacherprinzip müssen solche Eingriffe mit realen Naturschutzmaßnahmen ausgeglichen werden. Ein 'Ablasshandel' durch Geldersatzzahlungen darf nicht gefördert werden“, forderte Tschimpke. 

Tschimpke forderte zudem Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner auf, den Vorschlag der EU-Kommission zur Agrarreform als Chance für den ländlichen Raum zu nutzen und die Umweltauflagen zu verbessern, statt sie zu verwässern. So gelte es, die ökologischen Vorrangflächen gegen die anhaltende Polemik der Agrarlobby zu verteidigen. Mit der verpflichtenden Schaffung einer „ökologischen Infrastruktur“ in der Agrarlandschaft könne ein dringend erforderlicher Beitrag zum Stopp des Artensterbens sowie zum Schutz von Gewässern, Böden und Klima geleistet werden. 

In Anbetracht des weltweiten Bevölkerungswachstums und des steigenden Bedarfs an Lebensmitteln, Trinkwasser, Rohstoffen und Energie, riefen die NABU-Bundesvertreter dazu auf, verbindliche Einsparziele zur Reduzierung des absoluten Verbrauchs natürlicher Ressourcen durchzusetzen. In Vorbereitung des Rio+20 Gipfels der Vereinten Nationen müsse sich die EU das Ziel setzen, den jährlichen Materialverbrauch in Europa von derzeit 16 Tonnen pro Kopf auf das global gerechte Maß von sechs Tonnen pro Kopf im Jahr 2050 zu senken. 

Scharfe Kritik gab es auch an der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Die Bundesregierung müsse endlich den klaren Vorrang für ein hochwertiges Recycling vor der Verbrennung von Abfällen durchsetzen, um damit die Ressourceneffizienz und Rohstoffsicherung in Deutschland deutlich zu erhöhen. Weiterhin forderten die NABU-Bundesvertreter von der Bundesregierung, ihre Blockade einer ambitionierten EU-Richtlinie zur Energieeffizienz aufzugeben und einen umfassenden Markt für Energieeinspar-Dienstleistungen zu schaffen. 

Die NABU-Delegierten verlangten in einer Resolution die ökologische Ausrichtung von Bundeswasserstraßen wie Elbe und Donau. Die Bundeswasserstraßenverwaltung müsse die Umgestaltung im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie als oberste Priorität sehen, um einem ökologische Hochwasserschutz sowie den Anforderungen von Vogelschutzrichtlinien gerecht zu werden. Dafür sei eine frühzeitige Einbeziehung der Naturschutzverbände in alle Planungen und Überlegungen zur Gestaltung und Entwicklung der Bundeswasserstraßen und ihrer Auen sowie Maßnahmen des Hochwasserschutzes nötig. 

In einer Resolution des gastgebenden NABU-Landesverbandes forderten die Delegierten den Berliner Senat auf, das sogenannte „Grüne Berlin“ nicht nur als Marke für Werbezwecke zu missbrauchen, sondern endlich auch etwas für den Werterhalt dieses Images zu tun. Das heißt auch, die Behörden mit den entsprechenden finanziellen und personellen Mitteln auszustatten, damit selbsterwählte Auflagen erfüllt werden können, namentlich die Biodiversitätsstrategie, die Vorgaben, die sich aus NATURA 2000 ergeben, sowie die Ausweisung von Schutzgebieten. 

Am Samstagabend bestätigten die NABU-Delegierten auf der Bundesvertreterversammlung im Roten Rathaus in Berlin Olaf Tschimpke mit großer Mehrheit für vier weitere Jahre als Präsident von Deutschlands mitgliederstärkstem Umweltverband. Der 55-jährige Diplom-Geograf ist seit 2003 Chef des NABU und war zuvor 18 Jahre Landesgeschäftsführer und Vorsitzender des NABU Niedersachsen. Die mehr als 250 Delegierten bestätigten ebenfalls das Präsidium in seiner bisherigen Konstellation. 

Quelle: Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)

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