Artikel vom 24.04.2012, Druckdatum 22.11.2024 | |
Ohne Erneuerbare Energien keine Energiewende Der Begriff der Energiewende steht für den raschen und umfassenden Wechsel zu Erneuerbaren Energien. Doch die Politik der Bundesminister Röttgen und Rösler zielt darauf ab, den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien, das Herzstück der Energiewende, zu stoppen. Nur der Bundesrat kann in der Abstimmung am 11. Mai 2012 die jüngste EEG Novelle noch stoppen. Vor diesem entscheidenden Beschluss plant EUROSOLAR die Schaltung einer ganzseitigen Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung unter dem Titel „Ohne Erneuerbare Energien keine Energiewende“ und bittet dafür um Unterstützung. Mit ihrer EEG Novelle konterkarieren Röttgen und Rösler nach Ansicht von EUROSOLAR die Politik vieler Landesregierungen, wie z.B. in Baden-Württemberg und Bayern, die den Ausbau der Solar- und Windenergie vor Ort beschleunigen wollen. Mehrere deutsche Bundesregierungen haben seit 1991 den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor mit hoher Kontinuität vorangebracht. Deutschland ist insbesondere durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit dem Jahr 2000 zum weltweiten Vorreiter geworden – mit einer leistungsstarken Anlagenindustrie und über 380.000 neuen Arbeitsplätzen. Die Erneuerbaren Energien sind damit an die zweite Stelle der Energiequellen in unserer Stromversorgung aufgestiegen. Ihr Anteil an der deutschen Stromversorgung lag vor 12 Jahren bei nur 4 Prozent, nun sind es bereits über 20 Prozent. In diesem Zeitraum wurden die Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien immer leistungsfähiger und kostengünstiger. Damit wurden sämtliche Prognosen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich übertroffen. Das deutsche EEG wurde in über 50 Staaten weltweit übernommen wie zuletzt auch in Japan. Weltweit hat kein anderes Land lange und konsistent den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor so vorbildlich vorangebracht wie Deutschland. Die amtierende Bundesregierung hat versucht, durch die Aufhebung des Atomausstiegs im Jahr 2010 die Energiewende zu unterbinden. Sie hat sich nach der Katastrophe von Fukushima in einer 180-Grad-Drehung, die allein dem Druck der deutschen Bürger geschuldet ist, halbherzig erneut zum Atomausstieg bekannt. Doch die Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien sind dennoch nicht erhöht geworden. Sie lagen vor dieser Kehrtwende bei 35 Prozent für 2020 und auch jetzt nur bei 35 Prozent. Das bedeutet, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verlangsamt wird, obwohl er bei einer Fortsetzung der aktuellen Wachstumsraten schon 2020 bei 50 Prozent liegen könnte. Dies wird nach Einschätzung von EUROSOLAR entweder dazu führen, dass der Atomausstieg scheitern wird, oder Atomkraftwerke durch neue fossile Großkraftwerke ersetzt werden. Diese Kraftwerke werden dann den zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien erschweren, indem sie die Stromnetze blockieren. Wir stehen nun kurz vor dem Erreichen eines Kippschalters in unserer Stromversorgung: Der historische Wendepunkt ist zum Greifen nahe, an dem der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren Energien es ökonomisch unmöglich macht, dass noch einmal umfassend in schlecht regelbare fossile Großkraftwerke investiert wird. Dann wird es keine Neuauflage einer gestrigen Stromversorgung mehr geben können. Auch die Bundesregierung ist sich dessen bewusst. Doch die Gesetze und Maßnahmen, die sie bereits beschlossen hat und weiterhin plant, zielen darauf ab, das Erreichen dieses Punktes um viele Jahre und sogar Jahrzehnte nach hinten zu verschieben. Deswegen versucht die Bundesregierung nach Ansicht vieler Gegnerinnen und Gegner der jüngsten EEG Novelle auch die originäre Bedeutung des Begriffs Energiewende auf den Kopf zu stellen und inhaltlich neu zu besetzen. Bei ihr steht die Energiewende nicht mehr für eine rasche Transformation des Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien, sondern im Gegenteil für die Bewahrung und Neuauflage der überkommenen Strukturen der fossil-atomaren Energiewirtschaft, deren Profitinteressen sie schützt. Das jüngste Opfer dieser Politik ist die Photovoltaik Sie leistet inzwischen signifikante Beiträge zu unserer Stromversorgung – dezentral und verbrauchsnah, und immer günstiger. Ohne Solarstromlieferungen aus Deutschland wäre es im Februar diesen Jahres in Frankreich zu massiven Blackouts gekommen. Keine andere Technologie konnte ihre Kosten bisher so rasch senken wie Photovoltaik Bereits zum 1. Januar 2012 wurde die Vergütung für Solarstrom erneut um 15 % gekürzt, seit 2008 wurde sie somit halbiert. Im kommenden Jahr wird sie das Kostenniveau von Offshore-Windstrom erreichen, einfach realisierbar, verbrauchsnah und damit ohne Bedarf für tausende Kilometer neuer Stromleitungen. Das Kostenargument, das die Bundesminister Röttgen und Rösler vorgeblich anführen, ist somit längst überholt, jedes weitere Gigawatt neu installierter Photovoltaik Leistung erhöht momentan die EEG Umlage um nur noch 0,035 Cent pro Gigawatt. In einem Haushalt mit einem Stromverbrauch von 4.000 Kilowattstunden pro Jahr entspräche dies bei einem Zubau von 5 GW Mehrkosten von weniger als 60 Cent pro Monat. Darüber hinaus senkt die Photovoltaik die Strompreise an der Strombörse signifikant, teilweise um bis zu 40 Prozent. Dies schafft eine solide Grundlage für ein weiteres zügiges Wachstum der Photovoltaik und den finanziellen Spielraum für die breite Einführung komplementärer Technologien wie netzstützender Wechselrichter und Energiespeicher. Die aktuell im Bundestag beschlossenen Kürzungen bei der Photovoltaik zeigen, dass die Bundesregierung gewillt ist, sich bis an die Grenzen der Verfassungskonformität zu begeben, um die Erneuerbaren Energien auszubremsen. Eine extrem kurzfristige Gesetzesnovelle mit drastischen Kürzungen, die teilweise sogar rückwirkend in Kraft treten sollen, hebelt Vertrauensschutz und Planungssicherheit aus. Ein solches Gesetzgebungsverfahren ist in Deutschland bisher einmalig. Diese Politik ist zutiefst innovationsfeindlich und undemokratisch, sie bestraft alle diejenigen Unternehmen, die in den letzten Jahren massiv investiert haben, neue Arbeitsplätze geschaffen und ein unschätzbares Know-How aufgebaut haben. Das Vorgehen der Bundesminister Röttgen und Rösler schädigt nicht nur die deutsche Photovoltaikindustrie sondern auch Projektierer/innen, mittelständische Betriebe, Handwerker/innen, Energiegenossenschaften und Bürger/innen. Es trifft ebenso die Finanzinstitute, die die Investitionen in Erneuerbare Energien vor Ort bisher finanziert haben. Damit werden diejenigen dezentralen Strukturen geschwächt und zerstört, die bisher über 90 Prozent der Energiewende durch ihre Investitionen und ihr Engagement getragen haben. Eine rasch steigende Zahl von Insolvenzen und tausende verlorene Arbeitsplätze in den kommenden Monaten sind die Konsequenz dieser Politik. Die drastischen Kürzungen werden von weiteren Maßnahmen flankiert, die deutlich machen, dass das Kostenargument nur vorgeschoben ist und es nur darum geht, die Photovoltaik in Deutschland zu marginalisieren und die Erneuerbaren Energien insgesamt auszubremsen: - Die monatliche Absenkung der Vergütung für die Photovoltaik macht die Realisierung von größeren Aufdach- und Freiflächenanlagen fast unmöglich. Dabei können mittlere und große Solarstromanlagen mit entsprechenden Wechselrichtern substanzielle Beiträge zur Netzstabilität leisten. - Der Ausbaukorridor für die Photovoltaik wird bis 2017 ohne jede Grundlage auf nur noch 900 bis 1.900 MW jährlich eingeschränkt. - Auch die Energiespeicherung wird von der Bundesregierung weiterhin vernachlässigt. Hier bestehe noch Forschungsbedarf. Doch die Förderung von Forschungs- und Pilotprojekten in den Jahren 2011–2014 beläuft sich auf insgesamt nur 200 Millionen Euro. Eine breite Markteinführung von Energiespeichern ist weiterhin nicht geplant, obwohl noch im Koalitionsvertrag die Rede von einem „Stetigkeitsbonus“ war. Mit entsprechenden Batterietechnologien kann schon heute der Stromertrag aus Solarstromanlagen für eine Nutzung in den Abendstunden gespeichert werden. Auch in diesem Bereich wird industrielle Massenproduktion analog zu den Erneuerbaren Energien signifikante Kostensenkungen herbeiführen, denn die Materialkosten sind z.B. bei Natriumschwefel-Akkumulatoren mit nur 10 Euro/Kilowattstunde marginal. Die Bundesregierung bleibt hier also selbst hinter ihren eigenen Vorgaben zurück. Um ihr Vorgehen zu verschleiern, hätten sich die Bundesminister Röttgen und Rösler dazu entschlossen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz nach und nach auszuhöhlen, so EUROSOLAR weiter. So wollten sie verhindern, dass die Bundesländer und die Menschen vor Ort die Geschwindigkeit der Energiewende in die eigene Hand nehmen. Gleichzeitig sendet Deutschland ein völlig falsches Signal an die Weltgemeinschaft. Nachdem die Regierungsfraktionen am 29. März im Bundestag gegen jede energiepolitische Vernunft drastische Kürzungen bei der Photovoltaik durchgesetzt haben, liegt es nun an den Vertretern der Bundesländer, diesem Vorgehen noch Einhalt zu gebieten. Nur so kann das Scheitern der Energiewende noch verhindert werden. EUROSOLAR fordert daher die Bundesregierung, die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP und insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrats auf: - den Pfad einer demokratisch legitimierten Energiepolitik nicht zu verlassen - am Erneuerbare-Energien-Gesetz und dessen Grundprinzipien festzuhalten: feste Vergütungssätze, Einspeisevorrang und Planungssicherheit - das angepeilte Ziel im Stromsektor bis 2020 von 35 Prozent auf 50 Prozent Erneuerbare Energien zu erhöhen und so die Ausbauziele der Bundesländer anzuerkennen - den Zubaukorridor für die Photovoltaik in den nächsten Jahren nicht zu beschränken, sondern ausgehend von mindestens 5 GW/Jahr weiter auszuweiten und eine installierte Gesamtleistung von mindestens 70 GW bis 2020 anzupeilen - die geplanten drastischen Sonderkürzungen bei der Vergütung für Solarstrom zu stoppen, um stattdessen künftig die Vergütungssenkungen in gleitenden kleineren Schritten in einem Intervall von zwei Monaten vorzunehmen - einen Systemdienstleitungsbonus für Solarkraftwerke einzuführen, die mit modernen Wechselrichtern dazu beitragen, die Netzstabilität zu erhöhen und Netzausbaukosten reduzieren - ein umfassendes Markteinführungsprogramm für Energiespeicher aufzulegen sowohl für Batterien im Stundenbereich als auch Lösungen für Langfristspeicher, wie z. B. synthetisches Erdgas aus Wind- und Sonnenstrom - darüber hinaus einen finanziellen Anreiz im Erneuerbare-Energien-Gesetz für regenerative Verbundkraftwerke zu schaffen, bei denen Strom aus Wind, Sonne Biomasse Wasserkraft und Energiespeichern mit moderner Informationstechnik zusammengeschaltet werden, um ihre Erzeugung regelbar zu machen Für einen weiteren Aufschub fehle jede Rechtfertigung, jetzt gehe es um die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Dies entspreche dem Wunsch der Mehrheit unserer Gesellschaft, sichere die Zukunft unserer innovativen Wirtschaft und schaffe hunderttausende neuer Arbeitsplätze, so EUROSOLAR. Die EUROSOLAR-Anzeigenkampagnen in Form ganzseitiger Textanzeigen in den einflussreichen Printmedien haben sich in den letzten Jahren als enorm wirkungsvolles öffentliches Kampagnenmittel erwiesen. „Wir möchten noch einmal ganz herzlich allen Unterstützerinnen und Unterstützern für ihre Hilfe bei früheren Anzeigenaktionen danken und rufen sie erneut auf, die Schaltung dieser so wichtigen Anzeige durch ihre persönliche und zu veröffentlichende Unterschrift und einen Finanzierungsbeitrag zu unterstützen. Helfen Sie uns auch dabei, diesen Aufruf weiterzuverbreiten! Auf eine erneute, erfolgreiche Zusammenarbeit!“, bitten Irm Scheer-Pontenagel, Geschäftsführerin EUROSOLAR e.V., und Oliver Krischer, Vorstandsmitglied EUROSOLAR Sektion Deutschland, um Unterstützung. Weitere Informationen unter www.eurosolar.org Quelle: EUROSOLAR e.V. |