Artikel vom 06.06.2012, Druckdatum 22.11.2024

Transformation des gesamten Energiesystems muss im Fokus stehen

Bereits Ende April hat Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, eine neue Kampagne gegen das EEG prognostiziert. Kampagnentreiber würden unter anderem das Handelsblatt, die FAZ und EU-Kommissar Günther Oettinger sein. Letzterer hat bei der Vorstellung eines Papiers zur Zukunft der Erneuerbaren Energien in Europa seine Rolle erfüllt und vor einem „zu raschen Ausbau der Erneuerbaren Energien“ gewarnt.

„Vielleicht ist sogar eine Art Geschwindigkeitsbegrenzung beim weiteren Zubau von erneuerbaren Energieträgern angesagt“, soll Oettinger am Mittwoch in Brüssel bei der Vorstellung eines Papiers zur Zukunft der Erneuerbaren Energien in Europa gesagt haben, meldet das unabhängige Verbraucherportal verivox. Oettinger finde, die Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sei zu hoch. Dort habe es teils „unnötige Mitnahmeeffekte, zu hohe risikofreie Rendite“ gegeben. „Die Anpassung der Fördersätze ist meines Erachtens dringend geboten“, zitiert ihn verivox. Schön, wenn Politiker so berechenbar sind. 

Schon auf der Hannover Messe hatte Oettinger eine „Harmonisierung der europäischen Förderinstrumente“ gefordert und eine Initiative der EU-Kommission für dieses Jahr angekündigt. Vor einer europaweit einheitlichen Förderpolitik für Erneuerbare Energien soll jetzt aber Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) gewarnt haben: die EU-Länder müssten weiterhin selbst entscheiden können. Oettingers Forderung nach mehr Planungssicherheit soll sich Altmaier aber anschließen, meldet verivox. 

Oettinger ebenso wie Handelsblatt, FAZ, Financial Times Deutschland berufen sich auf eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), in der gefordert wird, den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch die Einführung eines Quotenmodells zu deckeln. Die Autoren wollen in dieser Studie die Überlegenheit des Quotenmodells belegen, kommen aber über eine Beschreibung der Quotenmodelle in einigen europäischen Ländern nicht hinaus, berichtet Fell. Vorteile der Quote könnten die Autoren nicht benennen.

Die Autoren der Studie greifen wieder zu den üblichen Tricks: Unter anderem wird die vermeintliche soziale Schieflage bei der Verteilung der Kosten für die Energiewende angeprangert. Die Milliardenschweren Entlastungen der Industrie, welche die EEG Umlage unnötig in die Höhe getrieben haben und die privaten Haushalte belasten, werden dabei natürlich elegant unterschlagen. 

Eine aktuelle Berechnung des Marktforschungsinstituts Prognos widerlegt zum wiederholten Mal die These, wonach die Strompreiserhöhung dem Ausbau von Solarstrom anzulasten sei. Demnach würde auch eine Verdoppelung des Anteils der Solarenergie am deutschen Strom Mix von 3,2 Prozent im Jahr 2011 auf rund sieben Prozent private Stromtarife bis zum Jahr 2016 um lediglich 2,5 Prozent steigen lassen. Die Kosten für den weiteren Ausbau der Photovoltaik sinken rapide. „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, den Ausbau von Solarstrom durch überzogene Einschnitte bei der Solarstromförderung zu drosseln und damit die Existenz von hunderten Solarunternehmen aufs Spiel zu setzen“, sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar).

Bereits jetzt haben die von der Bundesregierung geplanten harten Einschnitte der Solarstrom-Förderung großen Schaden in der Photovoltaik Branche verursacht. Nach einer Umfrage des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) verzeichneten Photovoltaik Unternehmen im April dieses Jahres einen Umsatzeinbruch von über 50 Prozent. In den nächsten Monaten und auch für das Jahr 2013 wird mit einem weiteren Auftragsrückgang gerechnet. Schon jetzt entlassen über der Hälfte der Solarunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) teilt zwar die Sicht der EU-Kommission, dass hohe Anteile Erneuerbarer Energien auch eine Änderung des Energiemarktes auf europäischer Ebene nach sich ziehen müssen. Der BEE betont aber, dass nicht die Integration der Erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt das Ziel sein kann, sondern auch auf europäischer Ebene eine Transformation des Energiesystems im Fokus stehen müsse. Zentrale Elemente müssten auch hier künftig Mechanismen sein, die den Besonderheiten der Erneuerbaren mit ihren kostensenkenden Effekten Rechnung tragen und die Preisbildung regenerativer Kraftwerke (hohe Anfangsinvestitionen, Betriebskosten nahe Null) berücksichtigen. 

Da es noch immer keinen funktionierenden EU-Energiebinnenmarkt gibt und die wahren Kosten der konventionellen Energieträger auch weiterhin nicht Bestandteil des Strompreises sind, widerspricht der BEE der Schlussfolgerung der Kommission, auf Förderinstrumente wie das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz könne bereits in naher Zukunft verzichtet werden. 

Der BEE kritisiert zudem, dass die EU-Kommission den Wärme- und Verkehrssektor erneut massiv vernachlässigt. „Wir brauchen dringend einen Wettbewerb der Mitgliedstaaten um effiziente und effektive Förderinstrumente im Wärme- und Verkehrssektor“, fordert Schütz. Um die Klimaziele und eine nachhaltige Energieversorgung zu erreichen, müssten die drei Sektoren Strom Wärme und Verkehr umfassend in eine Post-2020-Strategie einbezogen werden – insbesondere vor dem Hintergrund steigender Emissionen bei der Förderung fossiler Rohstoffe.

Quelle: Hans-Josef Fell MdB, verivox, Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar), Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE)
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