Artikel vom 28.07.2012, Druckdatum 25.11.2024

Wüstenrot wird zur Plusenergie-Gemeinde

Das Forschungszentrum für nachhaltige Energietechnik (zafh.net) an der Hochschule für Technik Stuttgart unter Leitung von Prof. Dr. Ursula Eicker hat ein neues Forschungsprojekt akquiriert. Grünes Licht für einen Start bekam jetzt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Eneff:Stadt-Projekt EnVisaGe ‚Kommunale netzgebundene Energieversorgung – Vision 2020 am Beispiel der Gemeinde Wüstenrot (kommunales Clusterprojekt). Die Projektentwicklung, lag beim zafh.net, federführend durch Dr. Dirk Pietruschka. In der Umsetzung wird dieses Projekt vom zafh.net als Konsortialkoordinator und wissenschaftlicher Verbundpartner begleitet.

Auf diese Weise startet die Gemeinde Wüstenrot jetzt unter wissenschaftlicher Begleitung in die Energiewende. Bereits 2007 hatte die Gemeinde im Landkreis Heilbronn beschlossen, bis 2020 energieautark bzw. langfristig zur Plusenergiegemeinde zu werden. Das heißt, die Kommune will ihren gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energieträgern wie Biogas, Erdwärme, Wärmepumpen, Photovoltaik und Solarthermie auf der Gemeindefläche von 3000 Hektar selbst erzeugen und künftig Überschüsse an der Strombörse vermarkten. 

Das Projektteam EnVisaGe wird einen Energienutzungsplan für Wüstenrot mit innovativen Planungswerkzeugen auf 3D Geoinformationsbasis (3D GIS) konkret entwickeln und umsetzen. Auf Potenzialanalysen aufbauend werden verschiedene Szenarien entwickelt, die als Grundlage für eine fundierte Roadmap dienen. Untermauert wird diese Roadmap durch Finanzierungskonzepte für die einzelnen Maßnahmen.

Ein massiver Ausbau der Stromversorgung auf der Basis von erneuerbaren Energien wird das lokale Stromnetz deutlich belasten. Daher werden parallel zu den Potenzialanalysen in Zusammenarbeit mit dem ZSW (Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg) und dem IFK (Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Universität Stuttgart) auch die Rückwirkungen auf das Stromnetz untersucht und Lösungen wie etwa eine Netzverstärkung oder eine lokale Netzentlastung durch dezentrale und zentralisierte Stromspeicher sowie intelligentes Lastmanagement untersucht. 

Gleichzeitig wird die Neubausiedlung „Vordere Viehweide“ als Plusenergie-Modellprojekt großflächig mit geothermischer Wärme versorgt, und zwar über eine europaweit erstmalig realisierte Agrothermiefläche (nach dem System Doppelacker). Darunter versteht man die geothermische Nutzung des Bodens in 2 Meter Tiefe zur Wärme- und Kälteversorgung von Gebäuden. Die Ackerflächen, die dazu auch als „Speicher“ genutzt werden, können dank einer neuartigen Verlegetechnik weiterhin ganz normal bewirtschaftet werden und werden auf diese Weise doppelt genutzt. Neben dieser innovativen netzgebundenen Wärmeversorgung wird in diesem Gebiet auch ein intelligentes Lastmanagement in den Gebäuden zur Stromnetzentlastung (Smart Grid) modellhaft umgesetzt und messtechnisch begleitet.

Alle technologischen und nutzerorientierten Analysen und Bewertungen werden in Planungsleitfäden zusammengefasst, die sich auf weitere Kommunen mit ähnlichen Strukturen übertragen lassen. Das Projekt mit zahlreichen Umsetzungsmaßnahmen wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit einer Fördersumme von mehr als drei Millionen Euro gefördert. Beteiligte Unternehmen im Unterauftrag der Gemeinde sind: dieErneuerbaren zur Unterstützung der Gemeinde bei der Projektabwicklung, die Umweltschutz UBP AG zur Umsetzung eines Biomasse Nahwärmenetzes mit dezentraler Solarwärme-Einspeisung und zur Analyse weiterer Umsetzungspotenziale in Wüstenrot, Vattenfall Europa Wärme AG für den Betrieb eines kalten Nahwärmenetzes mit Agrothermieflächen sowie für intelligentes netzübergreifendes Lastmanagement über ein Virtuelles Kraftwerk und die Firma Doppelacker für die Umsetzung der Agrothermieflächen inklusive kaltem Nahwärmenetz im Plusenergie-Modellprojekt. Die Firmen Dispatch Energy und ags-tec GmbH beabsichtigen das Projektteam als Verbundpartner zu verstärken. Dispatch Energy wird hier für elektrische Speichersysteme und ads-tec GmbH für den Bereich intelligentes internetbasiertes Datenmanagement und zusammen mit Dispatch Energy und dem ZSW für die Entwicklung von Strategien zur Integration großer Stromspeicher in das lokale Stromnetz zur Netzentlastung zuständig sein.

Quelle: Forschungszentrum Nachhaltige Energietechnik der HFT Stuttgart
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