Artikel vom 17.10.2012, Druckdatum 25.11.2024 | |
Das nächste Milliardengeschenk für die Industrie Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufgefordert, die im Sommer von der Bundesregierung im Schulterschluss mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ausgehandelte zehnjährige Weiterführung des so genannten Spitzenausgleichs im Zusammenhang mit der Ökosteuer abzulehnen. Etwa 18.700 von rund 23.000 begünstigten Unternehmen des produzierenden Gewerbes müssten im Fall der Verabschiedung des Gesetzes keinerlei Gegenleistung für ein Steuergeschenk erbringen, das die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler über zehn Jahre mit weit mehr als 20 Milliarden Euro belastet. Bei der Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages am heutigen (Mittwoch, 17. Oktober 2012) wies die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Rechtsanwältin Cornelia Ziehm darauf hin, dass es sich bei den durch den Spitzenausgleich Begünstigten ausdrücklich nicht um energieintensive Unternehmen handelt, die im internationalen Wettbewerb stehen. Denn diese sind bereits komplett von der Ökosteuer befreit (§ 9a StromStG, § 51 EnergieStG). Die DUH hält das nun verhandelte Gesetz zur Weiterführung des Spitzenausgleichs zudem für europarechtswidrig und hat sich entsprechend an die EU-Kommission gewandt. „Wir erleben, wie diese Bundesregierung systematisch große Teile der Industrie von Stromkosten entlastet, die für viele der begünstigten Unternehmen in den letzten Jahren ohnehin eher sinken als steigen. Bei der Ausweitung der Befreiung von der EEG Umlage ging das zu Lasten der privaten Haushalte und großer Teile des Mittelstands, nun soll es die Steuerzahler treffen“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Michael Spielmann. Zum Skandal werde diese Form der Klientelpolitik, dadurch, dass „beispielsweise Wirtschaftsminister Philipp Rösler, den Erneuerbaren Energien und der Energiewende jeden Tag die Schuld für steigende Strompreise für Bürgerinnen und Bürger zuweist, die sie in Wirklichkeit selbst durch Gesetze wie das zur Fortführung des Spitzenausgleichs befeuert.“ Die von der Bundesregierung mit BDI und BDEW im Sommer zum Zweck der Weiterführung des Spitzenausgleichs abgeschlossene „Vereinbarung zur Steigerung der Energieeffizienz“ diene einzig dem Zweck, eine nach EU-Recht für die Gewährung von Steuerentlastungen erforderliche Gegenleistung zu suggerieren und auf diese Weise, die Zustimmung der EU-Kommission zu erhalten. Die getroffenen Regelungen und Vereinbarungen widersprechen nach Überzeugung der DUH auch dem von der Bundesregierung selbst vor zwei Jahren beschlossenen Energiekonzept. Danach sollten ab 2013 nur solche Betriebe weiter vom Spitzenausgleich profitieren, die Energieeinsparungen auch tatsächlich nachweisen. Davon ist im aktuellen Gesetzentwurf jedoch keine Rede mehr. Im Gegenteil: Die vorgesehenen Regelungen zur Verbesserung der Energieeffizienz in begünstigten Unternehmen verpflichten die Unternehmen nicht individuell und erreichen nicht einmal den erwarteten Trend. Die Reduzierung der Energieintensität im produzierenden Gewerbe wird nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums (BMU) ohne besondere Anstrengungen der Unternehmen („business-as-usual“) bei 1,6 bis 1,8 Prozent pro Jahr liegen. Bis 2016 sollen nach dem aktuellen Gesetzentwurf alle ca. 110.000 Unternehmen des produzierenden Gewerbes (nicht nur die etwa 23.000 begünstigten) einen Zielwert von lediglich 1,3 Prozent bei der Reduzierung der Energieintensität nachweisen. Auch die von der Bundesregierung hervorgehobene Einführung von Energiemanagementsystemen erweist sich nach der Analyse der DUH bei genauerem Hinsehen als Scheingegenleistung. 18.000 der 23.000 durch den Spitzenausgleich begünstigten Firmen gehören zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Sie müssen tatsächlich nur so genannte Energieaudits nachweisen, die ihnen ohnehin durch die kürzlich verabschiedete EU-Energieeffizienzrichtlinie zwingend abverlangt werden. Von den 5.000 verbleibenden Unternehmen betreiben 700 schon heute Energiemanagementsysteme, um die Besondere Ausgleichsregelung nach dem EEG in Anspruch nehmen zu können. Allein bei den verbleibenden 4.300 Unternehmen wären Energiemanagementsysteme als Voraussetzung für die Begünstigung durch den Spitzenausgleich demnach etwas „Zusätzliches“ - allerdings müssen sie erst ab 2016 installiert sein. Und: die betroffenen Unternehmen werden darüber hinaus noch nicht einmal verpflichtet, die aufgrund der aus den Energiemanagementsystemen gewonnenen Erkenntnisse Maßnahmen zu Energieeinsparung zu ergreifen. „Das vorgelegte Gesetz dient allein der Fortführung eines milliardenschweren Steuerprivilegs für große Teile der Industrie, die dafür keinerlei messbare Gegenleistung erbringen muss“, erklärte Cornelia Ziehm. Mit Blick auf die gestrige Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Ausnahmeregelungen für Unternehmen bei der EEG Umlage überprüfen zu wollen, sagte Ziehm: „Wenn die Bundeskanzlerin das ernst meint, muss sie konsequenterweise zuallererst das Gesetz über den Spitzenausgleich in der vorgelegten Form stoppen. Ohne einen nachweisbaren Dienst an Energiewende und Klimaschutz darf kein Unternehmen entlastet werden“. Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) |