Artikel vom 21.11.2012, Druckdatum 22.11.2024 | |
Was bedeutet zunehmende Elektromobilität für das öffentliche Stromnetz? Der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität und das Ziel der Bundesregierung, dass bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren, bestimmen die Richtung. Das Angebot an Elektromobilen, die Nutzung elektrisch betriebener Fahrzeuge und der Ausbau der Ladeinfrastruktur folgt langsam aber stetig mit ansteigenden Marktanteilen. Was bedeutet die Stromabnahme durch Elektrofahrzeuge für das öffentliche Stromnetz? Welche Rückwirkungen auf das Versorgungsnetz sind messbar und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Diese Fragen untersuchte Dr. Peter Plumhoff, Elektrotechnikprofessor an der Fachhochschule Bingen, in einer Verbrauchsstudie. „Obgleich beim Laden von Elektrofahrzeugen am öffentlichen Netz festgelegte Grenzwerte gelten, stören einige der bisher am Markt erhältlichen Fahrzeuge die elektrische Energieversorgung. Ein Knackpunkt dabei ist die Umwandlung von Wechselstrom aus dem Versorgungsnetz in Gleichstrom für die Batterie. Der Strom verliert seine Sinusform und wird verzerrt: Das kann sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Netz zu Störungen anderer Verbraucher führen, oder als Folge einer Überlastung zur Unterbrechung der beim Ladevorgang genutzten elektrischen Verbindung“, fasst der Hochspannungsexperte das Resultat der Untersuchungen zusammen. So könne im privaten Bereich während eines Ladevorgangs Herd oder Heizung ausfallen, oder, mit anderer Dimension, im öffentlichen Netzbereich bei einer Kabelüberlastung die Stromversorgung eines ganzen Stadtteils unterbrochen werden, nennt der Professor mögliche konkrete Störungen. Deshalb hält er es für wichtig, Vorschriften zur elektromagnetischen Verträglichkeit sinngemäß auch für Ladeinfrastruktur und Elektromobile anzuwenden. Hintergrund der Studie An vielen Orten Deutschlands entstehen zurzeit Ladestationen für Elektromobile mit meist zwei Steckdosen, um die prognostizierte Zunahme der Elektrofahrzeuge zu unterstützen. Werden die Ziele des Nationalen Entwicklungsplanes erreicht, ist davon auszugehen, dass 2020 etwa eine Million Elektromobile auf deutschen Straßen unterwegs sind und der Anteil danach jährlich um etwa eine Million steigen wird. Sehr unterschiedliche Elektromobile vom ausschließlich elektrisch betriebenen Auto über Hybrid-Fahrzeuge mit geringer elektrisch betriebener Laufleistung und Elektrofahrzeuge mit verlängerter Reichweite sind im Einsatz. E-Scooter, Transporter und Omnibusse mit Elektroantrieb ergänzen die Palette. Alle diese Fahrzeuge müssen aufgeladen werden. Forschungsreihe an der FH-eigenen Solartankstelle Neben der Verfügbarkeit einer flächendeckenden „Hardware“, der Ladeinfrastruktur, drängen sich beim Ausbau der Elektromobilität Fragen nach der Verantwortlichkeit auf: Wer sorgt für die Strom und Spannungsqualität, der Ladesäulen- oder der Fahrzeughersteller? Der Betreiber der Säule oder der Halter des Elektrofahrzeugs? Denn die Umwandlung von Wechselstrom aus dem Energieversorgungsnetz in Gleichstrom für die Batterie beim Ladevorgang kann Netzrückwirkungen erzeugen, das heißt, die Sinusform von Strom und Spannung wird verzerrt und dafür gelten Grenzwerte. „Da es sich dabei nicht um die triviale Stromabnahme einer Energiesparlampe mit wenigen Watt handelt, sondern im größeren Kilowattbereich, verdient der Aspekt Beachtung“, macht Professor Plumhoff deutlich. Für ihn der Anlass für die jüngsten Untersuchungen. Basis waren die FH-eigene Solartankstelle, genormtes Mess-Equipment der Klasse A der Firma A. Eberle und die Auswertung von 300 Datensätzen von elf Fahrzeugtypen, die fast ausschließlich über Schuko-Stecker geladen werden. Im Ergebnis zeigten die Messungen, dass beim Ladevorgang keine signifikanten Rückwirkungen auf den Spannungsverlauf feststellbar waren. „Betrachtet man aber die Ladeströme, so zeigt sich, dass an einer 16-Ampere-Leitung genau ein Fahrzeug geladen werden kann, wobei zu Beginn Einschaltspitzen von mehr als 10 Ampere auftreten“, führt Plumhoff aus. Und das könne bei vorbelasteten Leitungen zur Störung, als Unterbrechung des Ladevorgangs oder Beeinträchtigung anderer am Netz angeschlossener Geräte führen. Die bisher am Markt gängigen Modelle führten - aufgrund herstellerbedingt unterschiedlicher technischer Gegebenheiten - zu guten beziehungsweise eher kritischen Messergebnissen der Leistungsspitzen. Mögliche Folge dieser Leistungsspitzen: Die Sicherung reagiert und unterbricht die Stromzufuhr. Weitere belastende Reaktionen können bei einzelnen Fabrikaten „Überlagerung“ durch transienten Strom der ebenfalls zum Auslösen des Schutzschalters oder Unterbrechen des Ladevorgangs führt, und weit oberhalb der zulässigen Grenze liegende Oberschwingungsströme darstellen. Denkbare Auswirkungen solcher Überlagerungen sind zum Beispiel ein Brand durch Kabelerwärmung oder die Zerstörung der aufwändigen Ladeinfrastruktur für einen gewerblich genutzten elektromobilen Fuhrpark. Regenerative Energie, Stromspeichertechnik, Reichweiten-Problematik, leistungsfähigere Energienetze und Effizienzanforderungen sind nicht die einzigen Herausforderungen an die Forschung auf dem Weg zum Ausbau der Elektromobilität. Professor Plumhoff plädiert dafür, dass auch auf die Netzqualität geachtet wird und das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG) auch für Ladesäulen und Elektromobile sinngemäß angewandt wird. In der nahen Zukunft sollen die bisherigen Untersuchungen auf eine breitere Basis gestellt werden. Dafür sucht der Dr. Plumhoff den Kontakt zu weiteren Kooperationspartnern, die einen Fuhrpark mit E-Mobilen oder Ladesäulen betreiben. Quelle: Fachhochschule Bingen |