Artikel vom 30.12.2005, Druckdatum 20.04.2024

Mehr Atomkraft für den Klimaschutz?

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner spricht sich laut dpa für die weitere Verlängerung von Laufzeiten für Kernkraftwerke aus. Da die Erzeugung von Energie aus Atomkraft keine Kohlendioxid Emissionen zur Folge habe, sei sie mit Blick auf den Klimaschutz zu befürwortet, so Gönner in einem dpa-Gespräch. Sie erwarte außerdem, ...

... dass bei der Ausarbeitung eines Energiekonzepts für Deutschland, wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vorgesehen, die Frage der Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke heiß diskutiert werde. Im Koalitionsvertrag stehe lediglich, dass beide Koalitionspartner unterschiedliche Positionen vertreten. Deshalb seien Nachverhandlungen zum Ausstieg möglich. Sie wolle zwar nicht, dass neue Kraftwerke gebaut würden, sehe aber keinen Sinn darin, funktionstüchtige Kraftwerke, die zwischenzeitlich finanziell abgeschrieben seien, abzureißen.

Gönner bezweifelt, dass es möglich sein wird, bis zum vereinbarten Termin den Energiebedarf aus regenerativen Quellen zu decken. Deshalb, so die Ministerin laut dpa, müssten neue Kraftwerke auf Grundlage fossiler Brennstoffe gebaut werden. Da diese jedoch trotz modernster Technik nicht CO2-neutral arbeiten könnten, würde eine Abschaltung der Atomkraftwerke bis 2021 pro Jahr allein in Baden-Württemberg zu 8 bis 15 Tonnen CO2-Ausstoß zusätzlich führen.

Die Grünen im baden-württembergischen Landtag bezweifeln allerdings die angegebenen Zahlen aus dem Landesumweltministerium. Im November 2005 veröffentlichten sie die Ergebnisse der Expertengruppe „New Economics Foundation (NEF)“, die zu dem Schluss kommen, dass die tatsächlichen Kosten für Atomkraftwerke unterschätzt werden. Die Untersuchungen ergaben, dass die von offizieller Seite angegebenen Kosten von 3 bis 4 Cent pro Kilowattstunde Atomstrom weit untertrieben seien. Die tatsächlichen Kosten pro Kilowattstunde lägen dagegen bei 5 bis 12 Cent, so die NEF-Autoren. Zu den Kostenunterschieden käme es, weil die Betreiber die Herstellungskosten am unteren Ende ansetzten, da sie die Risiken des Betriebs nicht mit einkalkulierten. Zwar seien die unteren Kostengrenzen vorhersehbar, die oberen Limits aber würden im Falle einer Störung ins Unermessliche steigen.

Die Grünen weisen außerdem darauf hin, dass beim fast 20-jährigen Betrieb der Wiederaufbereitungsanlage am Forschungszentrum Karlsruhe (WAK) rund 80.000 Liter hochradioaktiver Abfalllösung angefallen sind. Deren Entsorgung und der Rückbau der WAK haben bis Ende 2004 Kosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verursacht. Zusätzliche 500 Millionen Euro sind für den weiteren Rückbau und die Verglasung veranschlagt, für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle muss mit weiteren 300 Millionen Euro gerechnet werden. Die Gesamtkosten werden damit auf rund 1,9 Milliarden Euro steigen. Ursprünglich waren 1,9 Milliarden DM (!) veranschlagt worden. Das entspricht einer Verdoppelung der Kosten.

Da die Industrie von Beginn an ihre Kostenbeteiligung auf 500 Millionen Euro gedeckelt hatte, gehen die Mehrkosten voll zulasten der öffentlichen Hand, also letztlich des Steuerzahlers. Für das Land Baden-Württemberg fallen damit allein für den Abriss und die Entsorgung der WAK Mehrkosten an, die in etwa der Höhe dessen entsprechen, was das Land laut Grünen von 1991 bis 2004 zur Förderung erneuerbarer Energien ausgegeben hat (97 Millionen Euro ohne Forschung und Entwicklung).

Quellen: dpa, verivox, Die Grünen im Landtag Baden-Württemberg

Autorin: Petra Forberger für www.solarportal24.de

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