Artikel vom 07.06.2013, Druckdatum 22.11.2024 | |
Das Märchen vom teuren Ökostrom Franz Alt, Journalist und langjähriger Kämpfer für Erneuerbare Energien, wendet sich mit einem Offenen Brief an Bundesumweltminister Peter Altmaier. Er wirft Altmaier vor, mit seiner Politik der so genannten „Strompreisbremse“ der Energiewende zu schaden. Altmaiers „Märchen vom teuren Ökostrom“ stellt Alt die immensen Kosten entgegen, die auf uns zukommen, wenn wir nicht in die Energiewende, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren. Die Energiewende, so Alt, sei keine Last, sondern die größte ökonomische, ökologische und soziale Chance für den Industriestandort Deutschland. Das Märchen vom teuren Ökostrom Offener Brief an Bundesumweltminister Peter Altmaier von Franz Alt. Lieber Peter Altmaier, Subjektiv wollen Sie sicherlich die Energiewende, aber objektiv tun Sie zurzeit wenig dafür. Mit Ihrer Politik der „Strompreisbremse“ schaden Sie diesem Ziel sogar. Das wurde in Ihrem Interview mit der Frankfurter Rundschau am 31.5. sehr deutlich. Eine Billion Euro soll nach Ihrer Berechnung die Energiewende in 30 Jahren kosten. Diese Zahl – also 1.000 Milliarden Euro – sei „eher zu knapp als zu hoch“, sagen Sie. Eine Horrorzahl, die Angst und Schrecken verbreitet, solange Sie nicht den Nutzen, die vermiedenen Folgeschäden und die vermiedenen Brennstoffkosten bei Kohle, Gas und Öl gegenrechnen. „Das kann man nicht gegenrechnen. Solche Berechnungen sind unseriös“, sagten Sie im FR-Interview. Wirklich? Seriöser weise muss man gegenrechnen. Pro Jahr zahlt Deutschland 95 Milliarden Euro an die arabischen Ölscheichs und an die russischen Gasbarone ins Ausland. Hochgerechnet auf Ihre 30 Jahre sind das 2,7 Billionen Euro. Viel Geld, das durch die Energiewende künftig in Deutschland bleibt, weil wir die heimische Sonne den heimischen Wind, die heimische Wasserkraft und die heimische Bioenergie nutzen. Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung. Das ist der entscheidende ökonomische Vorteil der künftigen ökologischen Energieversorgung. Hinzu kommen die vermiedenen Folgekosten des Klimawandels. Dazu hat der englische Ökonom Sir Niclas Stern, früher Chefökonom der Weltbank, errechnet, dass der Klimawandel uns alle mindestens fünfmal mehr kostet als die noch mögliche Vermeidung desselben durch eine rasche Energiewende. Wenn die Erneuerbaren Energien tatsächlich eine Billion kosten sollten, dann hätte keine Energiewende mehr als fünf Billionen Euro zu Folge. Was bitte ist denn an dieser Gegenrechnung unseriös? Richtig ist, dass die Energiewende viel Geld kosten wird. Aber keine Energiewende kostet die Zukunft. Was also wollen wir: Eine Billion für eine intelligente Energiewende oder keine Energiewende, die noch viel teuer kommt? Entscheidend für die rasche hundertprozentige Energiewende ist die Erkenntnis, dass die Erneuerbaren Energien einen fundamental höheren gesellschaftlichen Stellenwert haben. Nur wer die Folgekosten übersieht, kann das Märchen vom teuren Ökostrom verbreiten. Die Energiewende bringt riesige volkswirtschaftliche Vorteile: Mindestens eine Million neue Arbeitslätze (die 25 Prozent Ökostrom heute haben nach Ihren eigenen Berechnungen bereits 370.000 neue Jobs geschaffen) und regionale Wertschöpfung sind eine riesige Chance für das Rückgrat unserer Volkswirtschaft, den deutschen Mittelstand. Sie rechnen in Ihrem Interview vor, dass die Stromverbraucher seit dem Jahr 2.000 über das Erneuerbare Energien-Gesetz 66 Milliarden Euro für die existierenden Ökostromanlagen bezahlt haben. Aber Sie verschweigen, dass wir für Atom und Kohle in den letzten Jahrzehnten über 400 Milliarden Steuergelder aufgewendet haben. Was kostet übrigens ein Pförtner, der für eine Million Jahre ein Atommülllager bewachen muss? Und was kostet ein Liter Heizöl oder ein Liter Benin in zehn oder 20 Jahren? Die Erfahrung zeigt, dass die fossil-atomaren Energieträger immer teurer und die Erneuerbaren Energien immer preiswerter werden. Die Kilowattstunde Solarstrom kostete 1990 noch einen Euro, heute zwischen 10 und 15 Cent. In zehn bis 15 Jahren können wir bei fünf Cent pro Kilowattstunde Ökostrom sein. Das alles haben Sie nicht mit berechnet. Dass ausgerechnet der Umweltminister nicht ökologisch rechnet, überrascht mich sehr. Die Energiewende-Planer der schwarz-gelben Bundesregierung haben freilich eine soziale Schieflage in ihre Energiewende-Politik eingebaut. Private Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nämlich die Ökostromabgabe für die Großindustrie mitfinanzieren. Es gibt zu viele Befreiungen von der Umlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG).Das ist ungerecht und sollte rasch geändert werden. Dann erhält die notwendige Wende eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz. Die Energiewende muss solidarischer gestaltet werden. Und sozial Schwache sollten und könnten von zusätzlicher Belastung befreit werden. Die Energiewende ist keine Last, sondern die größte ökonomische, ökologische und soziale Chance für den Industriestandort Deutschland. Das EEG ist und bleibt auf der ganzen Welt das erfolgreichste Kostensenkungsinstrument für bezahlbare Energie. Es ist kein Zufall, dass 67 Länder der Welt – darunter China und Indien sowie 17 EU-Staaten – dieses deutsche Gesetz in seiner Intention übernommen haben. Als an Werten orientierter Christdemokrat – ich war von 1962 bis 1988 CDU-Mitglied – füge ich hinzu: Der Klimawandel und die Energiewende sind eine fundamental ethische Herausforderung und Chance. Ich vermute, uns beiden geht es um die Bewahrung der Schöpfung. Sonnige, windige sowie wasserkräftige Grüße, Ihr Franz Alt Quelle: Franz Alt 2013 – www.sonnenseite.com |