Artikel vom 27.06.2013, Druckdatum 22.11.2024

Solarzellen beim Wachsen zusehen

Erstmals ist es Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH gelungen, das Wachstum von hocheffizienten Chalcopyrit-Dünnschichtsolarzellen in Echtzeit zu beobachten und zu untersuchen, wie sich Defekte und Fehlstellen bilden und auflösen, die den Wirkungsgrad mindern können. Sie haben dafür eine Messkammer am Berliner Elektronenspeicherring BESSY II entwickelt, in der sie verschiedene Messmethoden kombinieren können. Ihre Ergebnisse zeigen, in welchen Stadien das Wachstum beschleunigt werden könnte und wann mehr Zeit wichtig ist, um Defekte zu reduzieren. Die Arbeit wurde nun in den Advanced Energy Materials online veröffentlicht.

Chalkopyrit Dünnschichtzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Selenid erreichen heute schon sehr gute Wirkungsgrade von mehr als 20 Prozent. Um solche extrem dünnen, polykristallinen Schichten zu produzieren, hat sich der Prozess der „Ko-Verdampfung“ bewährt: Dabei werden jeweils zwei verschiedene Elemente gleichzeitig aufgedampft, im ersten Schritt Indium (oder Gallium) und Selen, im zweiten Schritt Kupfer und Selen und im dritten Schritt nochmals Indium (oder Gallium) und Selen. So bildet sich ein Teppich aus Kristallen, die nur wenige Defekte aufweisen. 

„Bis vor kurzem wussten wir jedoch nicht genau, was bei diesem gleichzeitigen Verdampfen eigentlich passiert“, sagt Dr. Roland Mainz vom Institut für Technologie des HZB. Der Physiker und seine Kollegen haben drei Jahre lang daran gearbeitet, um diese Frage durch Messungen vor Ort und in Echtzeit untersuchen zu können. Dafür haben sie zunächst eine neuartige Versuchskammer konstruiert, die es erlaubt, während der Ko-Verdampfung die Bildung der polykristallinen Chalkopyrit-Schicht im Synchrotronlicht von BESSY II zu untersuchen. Diese Vakuum-Kammer enthält neben den Zuführungen für die zu verdampfenden Elemente auch Heiz- und Kühlvorrichtungen, um den Verdampfungsprozess zu steuern. „Eine Schwierigkeit war es, die Kammer mit ihrem Gewicht von rund 250 Kilogramm auf zehn Mikrometer in der Höhe genau zu justieren“, sagt Mainz: Schon allein aufgrund von thermischen Ausdehnungen während des Aufdampfungsprozesses muss die Höhenposition im Sekundentakt vollautomatisch nachjustiert werden.

Damit gelang es ihnen, weltweit zum ersten Mal, das Wachstum der polykristallinen Schichten mit „in-situ“-Röntgendiffraktion und Fluoreszenzanalyse während der Ko-Verdampfung in Echtzeit zu beobachten. „Wir sehen nun, wie sich die kristallinen Phasen während der verschiedenen Verdampfungsstadien ineinander umwandeln und wie sich dabei Fehlstellen ausbilden. Aber wir können auch erkennen, wann sich diese Fehlstellen wieder abbauen.“ Dies geschieht im zweiten Schritt, wo Kupfer und Selen aufgedampft werden. Dabei hilft überschüssiges Kupfer, das sich als Kupferselenid an der Oberfläche abscheidet, die Defekte abzubauen. „Das war schon aus früheren Experimenten bekannt, aber wir konnten nun an Hand der Fluoreszenzsignale und numerischer Modellrechnungen zeigen, dass das Kuperselenid dabei in die Kupfer-Indium-Selenid-Schicht eindringt“, erklärt Mainz. 

Hier zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen Kupfer-Indium-Selenid- und Kupfer-Gallium-Selenid-Schichten: Während Kupfer in die Kupfer-Indium-Selenid-Schicht sehr gut eindringen kann, bleibt es bei der ansonsten recht ähnlichen Verbindung Kupfer-Gallium-Selenid an der Oberfläche. Dies könnte ein Grund sein, warum mit reinem Kupfer-Gallium-Selenid bisher keine hohen Solarzellenwirkungsgrade erzielt werden konnten.

„Jetzt wissen wir, wo man ansetzen muss, um den Prozess zu optimieren, nämlich am Übergang in die kupferreiche Phase. Bis jetzt hat man den Prozess in allen Phasen sehr langsam ablaufen lassen, damit sich Defekte abbauen können. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass man einige Prozessphasen beschleunigen kann, und der Prozess nur dort langsam ablaufen muss, wo Defekte optimal abgebaut werden“, erklärt Mainz. Er freut sich schon auf das Zukunftsprojekt EMIL, das gerade an BESSY II aufgebaut wird. Denn dann werden noch weitaus mächtigere Werkzeuge zur Verfügung stehen, um die komplexen Prozesse beim Wachstum von neuartigen Solarzellen in-situ und in Echtzeit zu untersuchen. 

Quelle: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH
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