Artikel vom 23.08.2013, Druckdatum 25.11.2024

Konzept für soziale und nachhaltige Wärmepolitik

Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat Maßnahmen für eine sozial verträgliche und nachhaltige Wärmeversorgung präsentiert. Die Studie des Hamburg Instituts im Auftrag des Ministeriums analysiert aktuelle Herausforderungen für einen sozial- und klimaverträglichen Wärmemarkt und gibt zehn Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation. „Der Wärmesektor ist die große Herausforderung der Energiewende“, sagte Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) bei der Vorstellung der Studie.

So liegt der Anteil des Wärmebereichs am Energieverbrauch bei mehr als 50 Prozent. Nach wie vor gebe es ungenutzte Einsparpotenziale bei Raumheizung und Warmwasser. „Die Energiewende kann deshalb nicht nur eine Stromwende sein“, so der Minister: „Wir brauchen eine Energiepolitik, die den notwendigen Umbau der Wärmeversorgung ins Zentrum stellt und sozial verträglich gestaltet.“

Wie eine solche „soziale Wärmepolitik“ aussehen könnte, erläutert Christian Maaß, Geschäftsführer des Hamburg-Instituts: „Im Wärmebereich stockt die Energiewende, weil die bisherigen Strategien zu einseitig auf die Gebäudesanierung konzentriert sind und das Thema der immer höheren Heizkosten für die Verbraucher ignoriert wird. Die Potenziale der erneuerbaren Energien und lokaler Nahwärmelösungen für eine langfristig kostengünstige Wärmeversorgung werden längst nicht ausgeschöpft. Die Energiepolitik muss im Wärmesektor zudem stärker auf die sozialen Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter sowie Verbraucherinnen und Verbraucher Rücksicht nehmen. “

Konkret schlägt die Studie u.a. vor:

Stärkung von Mieterrechten. Der Anspruch des Vermieters auf Umlage der Heizkosten wird gedeckelt, wenn das Gebäude bestimmte energetische Mindeststandards nicht einhält. Der Mieter erhält einen Anspruch gegenüber dem Vermieter auf Durchführung ordnungsrechtlich verpflichtender Maßnahmen sowie auf Durchführung warmmietenneutraler Sanierungen. Die Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten wird begrenzt. 

Investitionsprogramm Wärme-Infrastruktur. Dieses beinhaltet Maßnahmen für Nah- und Fernwärmenetze, Wärmespeicher, Geothermie große netzintegrierte Solarthermie (Freifläche und Großdach), industrielle Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplung  

Sozialer Umbau der Förderprogramme des Bundes. Neben einer besseren Ausstattung geht es um eine Ausrichtung auf kostengünstige, langfristige Strategien (integrierte Sanierungsfahrpläne) und eine zielgenauere Steuerung der Finanzströme zu den Zielgruppen sozialer Wärmepolitik. 

Reform des Wärmeschutzrechts. Das deutsche Wärmerecht wird vereinfacht und zukünftig auf die Parameter CO2 und Kostenoptimierung orientiert. Nach dem Vorbild des Thüringer Entwurfs für ein EEWärmeG werden verstärkt systemorientierte Lösungen verfolgt und die erneuerbaren Energien für den Gebäudebestand verstärkt genutzt. 

Vorrang für Quartierssanierungen. Lokale Wärmekonzepte als kostengünstige und integrierte Lösungsansätze werden ein wichtiger Fixpunkt der Wärmeschutzpolitik. Dazu wird eine verbindliche Wärmeplanung für Kommunen eingeführt und die Förderkulisse umgebaut. 

Transfergelder reformieren. Die Transferleistungen im Wärmesektor werden daraufhin überprüft, inwieweit mit ihnen verstärkt Anreize für energetische Gbäudesanierungen gesetzt werden können und wie Transfergeldempfänger vor Verdrängung aus ihren Wohnungen geschützt werden können (Warmmietenorientierung). Das Wohngeld soll zu einem Klimawohngeld weiterentwickelt werden. 

Nachtspeicher-Heizungen abschaffen. Die jüngst erfolgte sozialpolitisch verheerende und energiepolitisch verfehlte unbefristete Verlängerung der Laufzeiten von Nachtspeicherheizungen wird revidiert.
Verbraucherschutz und Regulierung für die Fernwärme. Die Möglichkeiten der Kartellämter zur Überprüfung der Fernwärmepreise werden gestärkt. 

Soziale Einsparverpflichtungen. Ein Teil der europarechtlichen Verpflichtungen zur Einsparung von Energie wird über die Einführung von Einsparverpflichtungen für Energieversorger erbracht. Diese werden verpflichtet, jährlich bestimmte Effizienzmaßnahmen durchzuführen, die Haushalten mit Geringverdienern zugutekommen. 

Schnittstelle zum Stromsystem. Im bestehenden Recht werden Hindernisse abgebaut, die der Wärme- oder Wasserstofferzeugung durch Strom aus Windkraft- oder Solaranlagen zur Wärmeerzeugung entgegenstehen, die zur Netzstabilisierung abgeregelt werden sollen.

Die Vorschläge basieren auf einer Analyse der aktuellen Situation auf dem Wärmemarkt, die vor allem dadurch gekennzeichnet sei, dass die Wärmepreise seit 1990 deutlich stärker gestiegen sind als die Strompreise und die Kosten für die Wärmeversorgung die Bürgerinnen und Bürger finanziell deutlich stärker belasten als die Strompreise.

Zugleich sei die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung unsozial, weil sie kein Konzept gegen steigende Wärmepreise hat und damit Niedrig- und Normalverdienende nicht ausreichend vor steigenden Brennstoffkosten schützt und keine Antwort für die Verdrängung von Geringverdienern und Transfergeldempfängern durch energetische Sanierung von Wohnungen gibt.

„Wir brauchen eine neue Wärmepolitik, die solche sozialen Aspekte ausreichend berücksichtigt“, sagte Wirtschaftsminister Machnig. „Nur wenn wir die Energiewende sozial verträglich gestalten, wird es in der Bevölkerung weiter eine hohe Akzeptanz für das Thema geben.“ Er sagte zu, dass die vorgelegten Maßnahmen durch das Wirtschaftsministerium geprüft und in die künftige Energiepolitik des Landes einfließen würden. Vor allem für die weitere Diskussion um ein Thüringer Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (ThEEWärmeG) erwarte er neue Impulse durch die Studie.

Auch aus Sicht von Viktor Wesselak, Professor für Regenerative Energiesysteme an der FH Nordhausen, muss sich die künftige Energiepolitik stärker auf den Wärmebereich konzentrieren. Der Anteil regenerativer Energieträger müsse hier von derzeit 23,6 auf 33 Prozent erhöht werden – „keine leichte Aufgabe“, wie Wesselak betonte: „Hier entscheidet sich, ob das Ziel des Landes von 30 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch am Ende erreicht werden. Landes-, aber auch Bundesregierung müssen künftig in diesem Bereich klar Stellung beziehen.“ Denkbare Instrumente sind aus seiner Sicht ein eigenes Thüringer Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (ThEEWärmeG) oder eine Solarthermie Initiative zusammen mit der Thüringer Wohnungswirtschaft.

Quelle: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie
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