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29.04.2011

Schneller Atomausstieg: Die Lichter bleiben an – überall

Ein schneller Atomausstieg ist in Deutschland ohne Einbußen der Versorgungssicherheit oder ernste Nachteile für die Stromverbraucherinnen und -verbraucher möglich. Das ergibt sich aus einem Gutachten, das unter der Federführung von Prof. Dr. Olav Hohmeyer an der Universität Flensburg erarbeitet wurde. Nach den Ergebnissen des Gutachtens – Titel: „Atomausstieg 2015 und regionale Versorgungssicherheit“ – ist der Abschied von der kommerziellen Nutzung der Atomenergie technisch und volkswirtschaftlich schon bis 2015 machbar.

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hält einen schnellen Atomausstieg auch verfassungsrechtlich für zulässig. „Wir empfehlen eine Regelung auf der Grundlage von Kalenderjahren statt Reststrommengen“, so DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Nach dem DUH-Vorschlag würde als letztes Atomkraftwerk der Reaktor Neckarwestheim 2 am 15. April 2017 endgültig stillgelegt. Hohmeyer und Baake äußerten sich am Tag vor der für Donnerstag anberaumten Expertenanhörung der „Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung“ der Bundesregierung unter Leitung des früheren Bundesumweltministers Klaus Töpfer.

Das Gutachten der Universität Flensburg widerlegt auf Grundlage einer Analyse der regionalen Verteilung der abzuschaltenden Atomkraftwerke, der zu erwartenden höchsten Stromnachfrage des Jahres („Jahreshöchstlast“) und der bestehenden Stromtransportmöglichkeiten zwischen benachbarten Netzregionen die in den vergangenen Wochen von interessierter Seite geäußerte Erwartung, bei einem schnellen Atomausstieg werde es insbesondere in den Stromverbrauchzentren Süddeutschlands zu Engpässen und Netzzusammenbrüchen kommen.

„Die Analyse zeigt eindeutig, dass für einen Atomausstieg bis Ende 2015 kein Netzausbau erforderlich ist“, sagte Olav Hohmeyer, der auch Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung und Co-Autor eines kürzlich von dem Gremium veröffentlichten umfangreichen Gutachtens zur Vollversorgung Deutschlands mit Strom aus Erneuerbaren Energien bis 2050 ist.

Die gegenwärtige Diskussion über einen möglichst zügigen Um- und Ausbau der Stromnetze sei dennoch „absolut notwendig, um den Übergang in das regenerative Zeitalter bis 2050 oder sogar schon bis 2030 zu schaffen, aber unwesentlich für einen schnellen Atomausstieg“, erklärte Hohmeyer.

Die andauernde Katastrophe von Fukushima habe entscheidende Teile jener politischen und wirtschaftlichen Kräfte in der Gesellschaft umgestimmt, „die das Restrisiko zuvor fälschlich als hypothetische Größe missverstanden haben“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Da der Super-GAU auch in Deutschland jederzeit passieren könne, sei „jedes Jahr, das die Atomkraftwerke früher abgeschaltet werden, ein konkreter Gewinn an Sicherheit. Jetzt ist die Zeit reif für einen klaren Schnitt und eine Beschleunigung des Atomausstiegs.“

Dazu schlägt die DUH vor, in einer Novelle des Atomgesetzes die bisherige Festlegung der Reaktorlaufzeiten auf Basis von Reststrommengen, die noch erzeugt werden dürfen, aufzugeben und stattdessen die Laufzeiten aller 17 Atomkraftwerke einheitlich auf 28 Kalenderjahre seit der Aufnahme des kommerziellen Betriebs zu begrenzen. Baake erläuterte, dass sich die Investitionen in die Anlagen spätestens nach 28 Jahren amortisiert und einen im Rechtssinne „angemessenen Gewinn“ abgeworfen hätten. Entschädigungsforderungen der Betreiber wären unbegründet. Um kein unnötiges Risiko bei einer zu erwartenden Klage der Betreiber vor dem Bundesverfassungsgericht einzugehen, empfiehlt die DUH dennoch, eine Entschädigungsklausel für noch nicht amortisierte Sicherheitsinvestitionen in die Reaktoren seit dem „Atomkonsens“ von 2001 ins Gesetz aufzunehmen.

Ergebnis des DUH-Vorschlags wäre, dass keines der im Rahmen des Moratoriumsbeschlusses der schwarz-gelben Bundesregierung abgeschalteten Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen könnte. Ebenfalls noch in diesem Jahr müsste das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld stillgelegt werden und im kommenden Jahr der ohnehin seit bald vier Jahren fast ununterbrochen abgeschaltete Pannenmeiler Krümmel sowie das AKW Gundremmingen. Als letzter Reaktor würde im April 2017 Neckarwestheim 2 stillgelegt, der 1989 als letzter Meiler der alten Bundesrepublik den kommerziellen Betrieb aufnahm.

Baake: „Unser Vorschlag reflektiert die von der Bundeskanzlerin betonte neue Gesamtlage nach Fukushima, er ist einfach, rechtssicher umsetzbar und, wie das Hohmeyer-Gutachten nachweist, technisch und volkswirtschaftlich tragfähig“. Die Möglichkeit, Strommengen zu übertragen und durch eine „politische Fahrweise“ Reaktoren über Wahltermine zu retten, würde bei dieser Regelung entfallen.

Laut dem Gutachten der Universität Flensburg müssten zur bundesweiten Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit lediglich genehmigte und schon im Bau befindliche Gas- und Kohlekraftwerke fertig gestellt werden. Der CO2-Ausstoß aus der Stromerzeugung sei durch den europäischen Emissionshandel nach oben begrenzt und könne sich europaweit nicht erhöhen. Er würde in Deutschland zunächst für wenige Jahre leicht ansteigen, aber dann im neuen energiepolitischen Rahmen wegen des beschleunigten Zubaus Erneuerbarer Energiekapazitäten steiler absinken. Per Saldo ergäbe sich eine niedrigere Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen aus Deutschland als nach den aktuellen Planungen.

Hohmeyer zeigte anhand von Börsendaten, dass sich ein Strompreisanstieg nach der Abschaltung von sechs Atomkraftwerken infolge der Reaktorkatastrophe von Fukushima nicht nachweisen lasse. Ebenso wenig sei der zwischenzeitlich beobachtete Import von Strom aus Tschechien und Frankreich auf Strommangel in Deutschland zurückzuführen, sondern auf vorübergehend günstigere Stromhandelspreise in diesen Ländern. Der Stromaustausch mit anderen Ländern bewege sich im seit Jahren beobachteten Rahmen.

„Ein schneller Atomausstieg wird weder die Strompreise explodieren lassen, noch die nationalen Klimaziele dauerhaft belasten oder dazu führen, dass irgendwo in Deutschland die Lichter ausgehen“, fasste Hohmeyer die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen.

Mehr Hintergrundinformationen zur Studie und den Forderungen der DUH gibt es unter www.duh.de
 
Quelle: Deutsche Umwelthilfe (DUH)

  

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