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25.01.2012

Woher kommt die neuerliche Diskussion um die Photovoltaik-Förderung?

Die neuerliche Aufregung um die Photovoltaik Förderung verwundert. Traten doch erst zum 1. Januar 2012 drastische Förderkürzungen in Kraft. Dass es davor Mitnahmeeffekte geben würde, war allen Marktbeteiligten klar. Das ist quasi systemimmanent. Kann es sein, dass solch einfache ökonomische Zusammenhänge dem deutschen Wirtschaftsminister nicht geläufig sind? Oder hat die aktuelle Debatte doch mehr mit der bevorstehenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein und dem Zustand der FDP zu tun? Ein Kommentar.

„Weitere Einschnitte bei der Solarstromförderung soll es vorerst nicht geben. Darauf verständigten sich am 27.6.2011 die Koalitionsfraktionen. Sie folgten damit einer einstimmigen Empfehlung des Bundesrates vom 17.6.2011.“ Nachzulesen auf den Seiten des Bundesverbands Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar). Gerade mal ein halbes Jahr ist diese Aussage her. Zu den damaligen Koalitionsfraktionen gehörten neben der CDU/CSU auch die FDP.

Bis dahin war die Photovoltaik Förderung in den beiden vorherigen Jahren bereits um 40 bis 50 Prozent reduziert worden. Durch die EEG Novelle, die zum 1. Januar 2012 in Kraft trat, kommt es nach geltendem Gesetz zu einer weiteren Reduzierung um 27,7 Prozent bei der Photovoltaik Einspeisevergütung Konkret wurde bzw. wird die Solarstromförderung in 2012 in zwei Schritten gekürzt: um 15 Prozent zum 1. Januar 2012 und voraussichtlich um weitere 15 Prozent zum 1.7.2012. Insgesamt reduziert sich die Förderung in 2012 doppelt so stark wie 2011, so der BSW-Solar. Die gesellschaftlichen Kosten für den Solarstrom-Ausbau haben sich also bereits in der Vergangenheit drastisch reduziert und werden es nach dem aktuell gültigen EEG auch in der Zukunft weiter tun. 

Ein jüngst veröffentlichtes Kurzgutachten der Prognos AG bescheinigt der im Sommer vergangenen Jahres verabschiedeten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Wirkung: Durch die bereits realisierten Förderkürzungen sind die Kosten für den Ausbau der Photovoltaik unter Kontrolle. Auch die möglichen Auswirkungen einer festen Mengenbegrenzung („Deckelung“) der Photovoltaik Förderung auf die Stromtarife hat die Prognos AG untersucht. Ergebnis: Die Verbraucherstromtarife würden nur gering davon profitieren. 

Jedes ab 2012 in Deutschland zusätzlich gebaute Gigawatt Solarstrom-Leistung erhöht nach Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelte Kosten-Umlage nur noch um 0,03 Cent pro Kilowattstunde Strom 75 Prozent aller Deutschen wären allerdings bereit, bis zu 2 Cent pro Kilowattstunde für den Ausbau der Solarstromerzeugung zu zahlen, hat eine repräsentativen Studie des Marktforschungsunternehmens TNS Emnid ergeben. Die Mehrheit der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ist demnach dafür, in die Förderung der Solarenergie zu investieren. 

Mittels KfW-Förderkrediten wurden 2010 Investitionen in die Errichtung von Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien in Höhe von 11,0 Milliarden angestoßen; das sind 41,5 Prozent aller in Deutschland im Jahr 2010 getätigten Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien zur Strom und Wärmebereitstellung. Die Einsparungen an Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen dieser von der KfW im Jahr 2010 geförderten Erneuerbarer Energien-Anlagen verhindern volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von jährlich rund 390 Millionen Euro. 

Mit Hilfe der Solartechnologie wurden in Deutschland in den letzten Jahren mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze in über 10.000 Unternehmen bei Herstellern, Händlern, Zulieferern und im Handwerk geschaffen. Allein durch die im Jahr 2010 von der KfW-Bank geförderten Erneuerbarer Energien-Anlagen konnten rund 52.000 Arbeitsplätze in Deutschland für ein Jahr gesichert bzw. neu geschaffen werden. Hinzu kommen jährlich weitere 2.500 Arbeitsplätze durch Betrieb und Wartung der Anlagen. Rund 74 Prozent der Arbeitsplätze sind in kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten entstanden.

Der weitere Ausbau der Photovoltaik wird also keine maßgeblichen Kosten mehr erzeugen, dafür jedoch durch Milliardeninvestitionen in regionale Wertschöpfung, zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine langfristig sichere und bezahlbare Energieerzeugung einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen für Deutschland leisten. 

Woher kommt also die neuerliche Diskussion um die Photovoltaik Förderung? Oder anders herum gefragt: Wer hat davon welchen Nutzen? Und wieviel hat uns eigentlich all die Jahre die Atomstrom-Förderung gekostet – mit Einverständnis derer, die heute über die „Förder-Orgie“ bei den Erneuerbaren Energien klagen? 

Stichwort EEG Umlage: 

Über die EEG Umlage finanzieren die Stromverbraucher den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor. Wer allerdings besonders viel Strom verbraucht, wie beispielsweise stromintensive Unternehmen, muss sich deutlich weniger an der EEG Umlage beteiligen. Für rund 650 Unternehmen mit einem jährlichen Mindeststromverbrauch von 100 Gigawattstunden (GWh) ist die EEG Umlage „gedeckelt“: Sie zahlen im niedrigsten Fall lediglich 0,05 Cent pro Kilowattstunde Strom Für 2012 gehen die Netzbetreiber von 84 TWh Strom (2011: 74 TWh) aus, die weitgehend von der Umlage befreit sind. Allein die im Vergleich zu 2011 zusätzlichen 10 TWh erhöhen die EEG Umlage für alle anderen um 0,1 Cent pro Kilowattstunde.

Ab 2013 wird die Bundesregierung die Zahl privilegierter Unternehmen noch einmal massiv ausweiten: Sie senkt den Mindeststromverbrauch, um in den Genuss der „gedeckelten“ Umlage zu kommen von 100 Gigawattstunden auf 10 Gigawattstunden pro Jahr. Die Mehrkosten für die „normalen“ Stromverbraucher variieren dabei zwischen 300 und 500 Millionen Euro. Darüber hinaus wird den Übertragungsnetzbetreibern ab kommendem Jahr die Bildung zusätzlicher finanzieller Rücklagen in Höhe von 390 Millionen Euro zugestanden, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Dieser finanzielle Puffer hat an der künftigen EEG Umlage einen weiteren Anteil von 0,1 Cent. 

Stichwort: Staatliche Förderungen der Atomenergie 

Im Zeitraum 1950 – 2010 haben die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler laut Berechnungen von Greenpeace den Atomstrom mit mindestens 204 Milliarden Euro gefördert. Zu den realen, aber meist verschwiegenen Fördermitteln gehören direkte Finanzhilfen des Bundes, Forschungsförderung, Kosten für die Atommüllendlager Asse II und Morsleben oder für die Stilllegung der ostdeutschen Atommeiler. Hinzu kommen Steuervergünstigungen in der Energiebesteuerung und durch die Regelungen bei den Entsorgungsrückstellungen sowie Zusatzeinnahmen der AKW-Betreiber durch den Emissionshandel. Diese staatlichen Förderungen sind im Subventionsbericht der Bundesregierung nicht erfasst, weil dort von einem äußerst eng gefassten Subventionsbegriff ausgegangen wird. 

Schon heute steht fest, dass die Atomkraft weitere Kosten von mindestens 100 Milliarden Euro verursachen wird: Die maroden Atommülllager Asse und Morsleben müssen saniert werden, Stilllegung, Rückbau und Entsorgung der Atomkraftwerke werden fällig. Was hier tatsächlich auf die Bürgerinnen und Bürger zukommt, ist noch kaum zu beziffern. Die Subventionen der Atomkraft lägen laut Greenpeace-Studie noch weitaus höher, wenn die externen Kosten miteinbezogen würden. Diese sind besonders im Hinblick auf die unvorstellbaren Folgen und Kosten eines nuklearen Unfalls sehr hoch, aber nicht exakt zu berechnen. Würden bei Atomkraftwerken die gleichen Haftungsregeln gelten wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 Euro pro kWh teurer - und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig. 

Stichwort: FDP 

Als „nicht enden wollender Albtraum“ diagnostizierte die WELT (Online) den Zustand der FDP-Bundespartei beim diesjährigen Dreikönigstreffen in Stuttgart am 6. Januar 2012. Die Wirtschaftswoche sah die Partei nach dem Rücktritt von Christian Lindner als FDP-Generalsekretär „vor einem Scherbenhaufen“. Drei desaströse Wahlniederlagen (Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg) hat die FDP hinter sich. Die FAZ (.net) bescheinigte den Liberalen „Angst vor Machtverlust“ und „Intellektuelle Obdachlosigkeit“. Auf Koalitionsebene wird die Rösler-Partei schon längst nicht mehr ernst genommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel treibt die Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte auch ohne den FDP-Wirtschaftsminister weiter voran. FDP-Mitglied Gerhard Baum sieht seine Partei „in höchster Lebensgefahr“. Und jetzt stehen in Schleswig-Holstein erneut Landtagswahlen an. 

Der Druck auf die FDP und ihren Bundesvorsitzenden Philipp Rösler könnte nicht größer sein. Möglicherweise erliegt er deshalb der Versuchung, sich als Lobbyist derjenigen zu profilieren, die sich durch die beschlossene Energiewende doch arg in Bedrängnis gebracht sehen? Die Atomkonzerne etwa, denen durch den Ausstieg aus dem Wiedereinstieg Milliardengewinne verloren gehen. Oder die besonders energieintensive Unternehmen, denen Rösler bereits Entlastung bei den Netzentgelten geschaffen hat, wie er dem Handelsblatt erklärte. Befreiung von der EEG Umlage für eine größere Zahl von Unternehmen, Kampf in Brüssel für Strompreiskompensationen, Netzbetreibern zusätzliche finanzielle Rücklagen zugestehen, EEG „Modernisierung“ fordern, Photovoltaik Förderung-Bashing – Rösler stilisiert die FDP kurz vor den alles entscheidenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein zur „Jeanne d'Arc“ gegen die Energiewende. 

Aus heiterem Himmel fällt ihm auf, „dass sich das EEG in seiner jetzigen Form überlebt hat und grundsätzlich reformiert werden muss“. Plötzlich entdeckt er, dass es die „wichtige Aufgabe des Wirtschaftsministers ist, die Bezahlbarkeit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands heute und in Zukunft im Blick zu behalten.“ Daher winkt er mit dem Zaunpfahl: Die FDP sei „durchaus bereit, notwendige Investitionen anzuregen, sei es bei Netzen, bei Speichern oder bei der Energieforschung.“ Darum plane man auch, ein „Kraftwerksförderprogramm“ aufzulegen. Dass dies eine weitere Form der Subvention wäre, übergeht Rösler einfach. 

Stattdessen erklärt er: „Mit dem starken Ausbau der Erneuerbaren, die privilegiert ins Netz eingespeist werden, sinkt aber die Auslastung eines konventionellen Kraftwerks. Ein neues Kraftwerk rechnet sich daher immer weniger, seine Wirtschaftlichkeit nimmt ab. Das ist ein klassisches Dilemma: Es geht nicht ohne neue, hocheffiziente Gaskraftwerke, doch die lassen sich nicht wirtschaftlich betreiben. Für diesen Fall wollen wir mit dem Kraftwerksförderprogramm unterstützend helfen.“ (Zitate: Interview Handelsblatt, 16.01.2012).

Also: Die zusätzliche Förderung konventioneller Kraftwerke wird von der FDP nicht nur unterstützt, sondern sogar neu vorgeschlagen. Unterstützt wird auch die indirekte Subventionierung energieintensiver Unternehmen. Aber Photovoltaik Förderung und Erneuerbares-Energien-Gesetz sind laut Rösler pfui. Für wen das logisch ist, der möge sich bitte melden. 

Nochmals: Der weitere Ausbau der Photovoltaik wird keine maßgeblichen Kosten mehr erzeugen, dafür jedoch durch Milliardeninvestitionen in regionale Wertschöpfung, zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine langfristig sichere und bezahlbare Energieerzeugung einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen für Deutschland leisten. Dazu kommt die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, deren Verbrennung zu einer Steigerung des CO2-Gehalts der Atmosphäre, zu Erderwärmung und Meeresspiegelanstieg führen. 

Erneuerbare Energien sind aus vielerlei – nicht nur ökonomischen – Gründen unverzichtbar. Ob das für die FDP ebenfalls gilt, wird sich zeigen.

Kommentar: Petra Forberger für solarportal24



  

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