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29.02.2012

Naturkatastrophen machen 2011 zum teuersten Jahr aller Zeiten

Eine Reihe schwerster Erdbeben und eine Vielzahl wetterbedingter Katastrophen haben 2011 zum Jahr mit den höchsten Schäden aus Naturkatastrophen aller Zeiten gemacht. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden lagen weltweit mit etwa 380 Milliarden US-Dollar fast um zwei Drittel höher als 2005, dem bisherigen Rekordjahr mit Schäden von 220 Milliarden US-Dollar. Allein die Erdbeben in Japan im März und Neuseeland im Februar verursachten fast zwei Drittel dieser Schäden. Die versicherten Schäden übertrafen mit 105 Milliarden US-Dollar ebenfalls den Rekordwert von 2005 (101 Milliarden US-Dollar).

Torsten Jeworrek, im Vorstand von Munich Re für das weltweite Rückversicherungsgeschäft zuständig: „So eine Serie schwerster Naturkatastrophen wie im abgelaufenen Jahr ereignet sich zum Glück nur sehr selten. Wir haben es mit Ereignissen zu tun, deren Wiederkehrperioden bezogen auf den Ort des Ereignisses zum Teil bei einmal in 1000 Jahren oder sogar höher liegen. Aber wir sind auf solche Extremsituationen vorbereitet. Es ist die Aufgabe der Versicherungswirtschaft, auch für extreme Schäden aufzukommen, damit einen Beitrag zu deren Bewältigung zu leisten und aus den Ereignissen zu lernen, um die Menschheit besser vor den Folgen der Naturgewalten zu schützen.“
 
Das Jahr in Zahlen 

Mit rund 820 schadenrelevanten Ereignissen liegt 2011 etwa im Schnitt der vergangenen zehn Jahre. 90 Prozent der registrierten Naturkatastrophen waren wetterbedingt – jedoch knapp zwei Drittel der gesamtwirtschaftlichen und rund die Hälfte der versicherten Schäden entfielen auf geophysikalische Ereignisse, insbesondere die großen Erdbeben. Normalerweise sind die wetterbedingten Naturkatastrophen die dominierenden Schadentreiber: Im Mittel der vergangenen drei Jahrzehnte trugen geophysikalische Ereignisse nur knapp 10 Prozent zu den versicherten Schäden bei. Ungewöhnlich war 2011 auch die regionale Verteilung der Schäden: Rund 70 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Schäden entfielen auf Asien. 

Bei den Naturkatastrophen des abgelaufenen Jahres kamen etwa 27.000 Menschen ums Leben. Nicht berücksichtigt in dieser Zahl sind die zahllosen Menschen, die bei der Hungersnot in Folge der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten am Horn von Afrika gestorben sind. Diese Dürre bedeutete die größte humanitäre Katastrophe des vergangenen Jahres. Bürgerkrieg und politische Instabilität trugen dazu bei, dass effektive Hilfe von außen für die Menschen nur schwer möglich war. 

Die Erde in Bewegung: 11. März, das Beben von Tohoku 

Das folgenschwerste Ereignis des Jahres war das Tohoku-Erdbeben am 11. März in Japan, als sich 130 Kilometer östlich der Hafenstadt Sendai und 370 Kilometer nördlich von Tokio ein Seebeben der Magnitude 9,0 ereignete. Es war das stärkste jemals in Japan registrierte Erdbeben. Die Schäden durch die Erdstöße selbst waren dank der strengen Bauvorschriften relativ moderat, jedoch löste das Beben einen zerstörerischen Tsunami aus. Die Welle verwüstete die Nordostküste der Hauptinsel Honshu; in manchen Buchten schaukelte sie sich bis zu 40 Meter Höhe auf. Ganze Orte, Straßen und Bahngleise wurden weggespült, hunderttausende Häuser wurden zerstört. Trotz vielfach hoher Schutzwälle und eines gut funktionierenden Frühwarnsystems starben etwa 16.000 Menschen. Ohne diese präventiven Einrichtungen hätten die Opferzahlen deutlich höher gelegen. Der Tsunamigefährdete Nordosten Japans wurde vermutlich zuletzt im Jahr 869 von einer ähnlich verheerenden Flutwelle getroffen. 

In Folge des Tsunamis havarierten mehrere Blöcke des Atomkraftwerks Fukushima 1. Einige Gebiete im Umkreis von vielen Kilometern um das Kraftwerk werden auf lange Zeit nicht mehr bewohnbar sein. Selbst ohne Berücksichtigung der Folgen des Atomunglücks belaufen sich die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch das Beben und den Tsunami auf 210 Milliarden US-Dollar – die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Der Anteil der versicherten Schäden betrug möglicherweise bis zu 40 Milliarden US-Dollar. 

Die Bruchlinie, die das Beben auslöste, war mit 450 Kilometern eigentlich kurz. Jedoch verschob sich der Meeresboden an der Bruchfläche um 30 bis 40 Meter. Experten gehen davon aus, dass sich ein Beben dieser Stärke dort einmal in 500 bis 1.500 Jahren ereignet. Auf das Hauptbeben folgten tausende Nachbeben, das stärkste mit einer Magnitude von 7,9 rund 40 Minuten danach. 

Die Erde in Bewegung II: Die Beben von Christchurch 

Vor der Tsunami-Katastrophe in Japan hatte am 22. Februar ein Beben der Magnitude 6,3 die neuseeländische Stadt Christchurch erschüttert. Die Besonderheit: Dort hatte sich erst sechs Monate zuvor ein schweres Beben der Magnitude 7,1 ereignet. Zudem schaukelten sich die Erschütterungswellen durch Reflektion an einem nahegelegenen erloschenen Vulkanmassiv auf, so dass die Zerstörungen weitaus größer waren als bei dieser Magnitude zu erwarten gewesen wäre. Das Epizentrum lag zudem in geringer Tiefe und nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Schäden waren enorm: Zahlreiche ältere Gebäude stürzten ein, und trotz der hohen Baustandards wurden auch viele neue Gebäude schwer beschädigt. Einige Wohngebiete werden nicht mehr aufgebaut. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden betrugen 16 Milliarden US-Dollar, davon war ein großer Anteil – rund 13 Milliarden US-Dollar – versichert. 

Einen Tag vor Weihnachten bebte die Erde in Christchurch erneut. Bei drei stärkeren Beben wurden mehr als ein Dutzend Menschen verletzt. Die Beben waren in ihren Ausprägungen nicht so intensiv wie das extrem zerstörerische Beben vom Februar. Daher sind aus diesen Nachbeben deutlich geringere Schäden für die Versicherungswirtschaft zu erwarten. 

Prof. Peter Höppe, Leiter der GeoRisikoForschung von Munich Re: „Auch wenn der Eindruck täuschen mag – die Erdbebenwahrscheinlichkeit insgesamt hat nicht zugenommen. Die schweren Erdbeben sind aber dringende Mahnungen, diese Risiken bei Standortentscheidungen für Ansiedlungen und ganz konkret für bestimmte Gebäude, insbesondere Atomkraftwerke, unbedingt zu bedenken. Zudem müssen die Baustandards in erdbebengefährdeten Regionen noch deutlich strenger werden. Damit die Gebäude nicht nur stehenbleiben, was entscheidend für die Rettung von Menschenleben ist, sondern damit sie auch weiter benutzt werden können.“ 

Wetterkatastrophen: Hochwasser in Thailand 

Von den zahlreichen Wetterkatastrophen des Jahres ist vor allem das Hochwasser in Thailand zu nennen. Ausgelöst wurde es durch extreme Niederschläge, die bereits im Frühjahr begannen und ihren Höhepunkt im Herbst erreichten. Wegen der geringen Höhe über dem Meeresspiegel ist die Tiefebene Zentral-Thailands mit der Hauptstadt Bangkok während der Regenzeit von Mai bis Oktober stark hochwassergefährdet. Die diesjährigen Überschwemmungen wurden von den Behörden als die schlimmsten seit rund 50 Jahren eingestuft. Vermutlich spielte dabei das natürliche Klimaphänomen La Niña eine gewisse Rolle, da in dieser Phase die Regenzeit oft intensiver ausfällt. 

Durch das Hochwasser verloren etwa 800 Menschen ihr Leben. Es wurden nicht nur hunderttausende Häuser und riesige landwirtschaftliche Flächen, sondern auch sieben große Industriegebiete mit Produktionsanlagen vor allem japanischer Konzerne überschwemmt. Dabei wurden viele Hersteller elektronischer Schlüsselkomponenten betroffen, was wiederum zu Verzögerungen oder gar Produktionsunterbrechungen bei deren Kunden führte. So war beispielsweise die Fertigung von rund 25 Prozent der weltweit benötigten Komponenten für Computer-Festplatten in Thailand direkt vom Hochwasser beeinträchtigt. Mit gesamtwirtschaftlichen Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe ist es bei weitem die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes. 

Nordamerika: Viele Unwetter, wenige Hurrikane erreichen das Land 

Ungewöhnlich heftig verlief die Tornadosaison in den Südstaaten und im Mittleren Westen der USA. Mehrere Serien von Unwettern mit zahlreichen Tornado-Ausbrüchen verursachten in der Summe einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von rund 46 Milliarden US-Dollar, wovon rund 25 Milliarden US-Dollar versichert waren. Die versicherten Schäden lagen damit mehr als doppelt so hoch wie im bisherigen Rekordjahr 2010. Die Serie von Unwettern ist wesentlich durch das Klimaphänomen La Niña zu erklären. In Folge dieser natürlichen Klimaschwankung gelangen Wetterfronten mit kühler Luft aus dem Nordwesten häufiger über die zentralen Staaten hinweg und treffen auf feuchtwarme Luft im Süden. Unter diesen Bedingungen sind extreme Unwetter wahrscheinlicher als in normalen Jahren. 

Die Schäden aus Hurrikanen im Nordatlantik blieben relativ moderat. Aber wie schon 2010 nur durch Zufall: Denn die Zahl der in dieser Saison gezählten tropischen Wirbelstürme lag mit 18 in dieser Saison zwar weit über dem langfristigen Durchschnitt (11) und auch über dem Schnitt der seit Mitte der 90er Jahre anhaltenden Warmphase (15) mit erhöhter Sturmaktivität. Die Anzahl der Stürme mit Hurrikanstärke lag mit 6 im langfristigen Durchschnitt. Die Zahl der Tropenstürme, die Land erreichten und insbesondere die US-Küste trafen, war jedoch sehr gering: Nur drei benannte Stürme darunter Hurrikan Irene, erreichten das US-Festland. Irene erzeugte in der Karibik und in den USA einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 15 Milliarden US-Dollar, davon waren 7 Milliarden US-Dollar versichert. 

Bemerkenswert zudem in diesem Jahr: Die US-Wetterbehörde NOAA stufte erstmals ein Tief über dem Mittelmeer als tropischen Sturm ein. Das Tief Rolf hatte sich am 3. November gebildet. Ursache war ein Kaltluftvorstoß über dem mit 20°C noch sehr warmen Meer. Mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von gut 120 km/h ging der Sturm „01M“ an der französischen Mittelmeerküste an Land. Dieser Sturm führte zu extremen Niederschlägen entlang der Cote d’Azur. 

Quelle: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft


  

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