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22.02.2013

Altmaiers Strompreis-Schocker: Droht Energiewende jetzt das Aus?

Einen Sturm der Entrüstung in Politik und Wirtschaft haben die Aussagen von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zu den angeblichen Kosten der Energiewende ausgelöst. „Die derzeitige Strompreisdebatte ist eine gezielte Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger und wird mit nicht nachvollziehbaren Argumenten geführt“, sagt juwi-Gründer und Vorstandschef Matthias Willenbacher. Politiker nutzten die Angst der Menschen vor steigenden Strompreisen, um den weiteren Ausbau der Erneuerbaren zu stoppen. Für Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nennt es „verantwortungslos, eine solche Milliardensumme zu nennen, ohne schlüssige Berechnungen vorzulegen“.

„Ganz offensichtlich wollte Altmaier mit seiner extrem großen Zahl provozieren und hat erst dann überlegt, welche Annahmen und Rechnungen dazu passen würden“, sagt Willenbacher. „Mit abenteuerlichen Eckdaten begründet der Umweltminister die ersten beiden Drittel der Horror-Summe. Um die gewünschten 1.000 Milliarden Euro voll zu bekommen, packt Altmaier auch noch Gebäudesanierung und Elektromobilität obendrauf. Dieser Trick entlarvt seine eigentliche Absicht: Er will nur schockieren.“ Willenbacher reagiert damit auf ein Interview Altmaiers in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Darin beziffert der Bundesumweltminister die Kosten für den Umbau unserer Energieversorgung auf „bis zu einer Billion Euro“.

Mit seiner Kritik steht Willenbacher nicht allein. Die merkwürdigen Rechenspiele des Bundesumweltministers stoßen auf heftigen Widerspruch - sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. So nennt Hans-Dieter Kettwig, Geschäftsführer des Windrad-Herstellers ENERCON, Altmaiers Vorschläge „nicht praktikabel und eine Gefahr für die Energiewende“. Ähnlich sieht das Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE): „Bei allem Verständnis für den Wahlkampfmodus des Bundesumweltministers - seine aktuellen Schätzungen über die Kosten der Energiewende entbehren jeder Grundlage.“

Für Willenbacher, der sich seit 17 Jahren mit der Erzeugung von sauberem Strom aus Wind-, Sonnen- und Bioenergie befasst, gehen Altmaiers Zahlenspiele von falschen Annahmen aus. „Der Umweltminister setzt voraus, dass die Preise für konventionelle Energien in den kommenden 20 Jahren auf den gleichen Niveau bleiben und schließt gleichzeitig Kostensenkungen bei den Erneuerbaren aus. Nur so kommt er auf die Horror-Zahl von einer Billion Euro“, sagt der juwi-Chef. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch die Schieflage der Altmaier-Rechnungen: Während die Preise für fossile Brennstoffe um mehrere Hundert Prozent stiegen, gab es bei Wind- und Solarenergie Preissenkungen von bis zu 80 Prozent.

„Zudem lässt Altmaier völlig außer Acht, dass Strom auch vor der Energiewende - wie jeder Bürger weiß - nicht kostenlos war", sagt Willenbacher. Auch dies müsse man in die Kalkulation einfließen lassen. "Wenn wir weiterhin Öl, Gas und Kohle für mehr als 80 Milliarden Euro im Jahr importieren und von einer jährlichen Kostensteigerung von nur sieben Prozent ausgehen, würde uns der Verzicht auf die Energiewende in dem von Altmaier definierten Zeitraum wahnsinnige 3,3 Billionen Euro kosten“, rechnet der juwi-Chef vor. „Das“, so Willenbacher, „wäre wirklich nicht bezahlbar“.

juwi und andere Unternehmen aus der Branche haben sich deshalb Gedanken darüber gemacht, wie die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien reduziert werden können, ohne die Energiewende in Gänze abzuwürgen. Heraus kam ein Bündel von Maßnahmen und Forderungen:

1. Subventionen für fossile Energieträger wie Kohle, Öl, Gas und Atom müssen Schritt für Schritt abgebaut werden. Es dürfen die Kosten zur Behebung von Umweltschäden, für die Beseitigung von Abfällen bis hin zur sicheren Endlagerung atomarer Brennstoffe nicht länger vergesellschaftet sondern den Verursachern - letztlich also den vier großen Stromkonzernen - in Rechnung gestellt werden. Dadurch würde der Preis für „schmutzigen“ Strom an der Börse zwar steigen, die EEG Umlage als Differenz zur festgelegten Einspeisevergütung aber deutlich sinken. Das würde auch die Verbraucher spürbar entlasten.

2. Mit dem richtigen Mix aus den verschieden Spielarten der erneuerbaren Energien können dramatische Kostenreduzierungen erreicht werden. Allein der Verzicht auf den Bau großer Offshore-Windparks erbrächte die von Minister Altmaier geforderte Einsparung von einer Milliarde Euro jährlich.

3. Durch eine gleichmäßige Verteilung der Windenergie-Anlagen über ganz Deutschland können die Kosten des Netzausbaus - insbesondere auf Höchstspannungsebene - auf einen Bruchteil gesenkt werden, ohne die Versorgungssicherheit zu beeinträchtigen.

4. Mit optimierter Anlagentechnik - hohe Türme, lange Flügel - können moderne Windräder in Süddeutschland ähnlich viele Volllaststunden erzielen wie auf dem Meer oder an der Küste.

5. Durch ein standortoptimiertes Vergütungsmodell würde sowohl der flächendeckende Ausbau der Windenergie im Binnenland gefördert als auch Kosten eingespart. Wichtig für den Erfolg der Energiewende ist auch, dass die Kernelemente des EEG Gesetzes wie eine verlässliche Vergütung über einen fest definierten Zeitraum oder der Vorrang bei der Einspeisung ins Netz erhalten bleiben.

Wie der „Rat für Nachhaltigkeit“ sieht auch der Energiespezialist juwi eine „dramatische Schieflage“ in der Debatte um die Energiewende. So werde allein der Strompreis für den starken Anstieg der Energiekosten bei Privathaushalten verantwortlich gemacht. In Wirklichkeit jedoch entfällt der Löwenanteil der Teuerung auf Heizung, Warmwasserbereitung und Kraftstoffe (Benzin + Diesel). So entspricht der heißdiskutierte Anstieg der EEG Umlage für einen deutschen Durchschnittshaushalt in Euro und Cent letztlich nicht einmal dem Gegenwert einer einzigen Tankfüllung für das geliebte Auto.

Quelle: juwi Holding AG


  

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